Meine Wut rettet mich
hingegen, darunter waren auch kleine mit vier, fünf Schwestern, wehrten ab und fanden: »Wir wollen eine Oberin, die sagt, wo es lang geht.« Dahinter steckt die Einstellung: Wenn es so jemanden gibt, kann ich ja nichts falsch machen; auch wenn ich denke, das ist Blödsinn, ist die ja schuld. Ich finde, das ist eine furchtbar feige Haltung. Ich denke, sie ist auch bei Priestern verbreitet. Es heißt dann: »Der Bischof hat das gesagt« oder »Der Papst hat es gesagt«. Dann muss man selbst nicht dafür geradestehen. Andererseits vergesse ich auch die Worte von Teresa nicht: Und wenn der Gott doch anders ist, als ich mir das denke, und wenn der Papst doch recht hat …? – Ich will ja auch keine Spaltung.
Dürfen wir vom amtierenden Papst Aufbruch und Reform erwarten?
Nein. Unser Papst jetzt ist geprägt von Angst. Dieser Papst ist für die Kirche eine Katastrophe, auch sein Vorgänger schon.
Inwiefern?
Weil sie beide all das, was nach dem Zweiten Vatikanum auf dem Weg war, so radikal abgeschnitten haben mit ihrer Kirchenpersonalpolitik. Man sieht das an denen, die in ihrer Zeit Bischof geworden sind – oder Kardinal und somit ja auch den nächsten Papst wählen werden: Zum Zug kamen immer die Konservativen, immer die Beharrer. Alle, die wir bewunderten, die Befreiungstheologen, die »Kirche der Armen in Lateinamerika« 27 hat man großteils kaputtgemacht. Nun fangen die Pfingstler 28 diese Leute auf. Viele fühlen sich zu unserer Kirche zugehörig, wissen aber nicht, wo und wie sie sich einbringen können.
Welchen Stellenwert hatte der Papstbesuch im September 2011 in Deutschland?
Ich hätte es gut gefunden, wenn keiner hingegangen wäre, einfach um zu zeigen: Mit der Art von Kirche, die er sich vorstellt, und mit der Art von Glauben haben wir nichts zu tun.
Benedikt XVI. sieht sich als Medienpapst. Wird er über diese Kanäle die Menschen wieder zur Kirche hin bewegen?
Ich glaube nicht. Wenn man seine Aussagen den Medien entnimmt, denkt man sich manches Mal: Das hat er schön gesagt. Und wenn man dann nachfragt, wo das denn umgesetzt wird, erfährt man: Nichts ist passiert, es ist nur etwas angekündigt worden. Das spüren die Menschen.
Erhoffen Sie sich eine Öffnung hin zu mehr Ökumene?
Das wäre so wichtig. Doch es wird auch weiterhin wohl nichts passieren. Dabei ist es in einer Gesellschaft, wo mehr und mehr Menschen allem Religiösen uninteressiert gegenübertreten, besonders wichtig, dass alle Christen, einfach alle, die sich in der Nachfolge Christi sehen, zusammenwachsen und sich respektieren. Wenn ein evangelischer Christ an einer katholischen Messe teilnimmt im Bewusstsein, das ist das Mahl, das Jesus uns allen angeboten hat, dann finde ich nicht in Ordnung, wenn er vom Abendmahl ausgeschlossen wird.
Und eine Öffnung hin zu mehr Akzeptanz der Frauen?
Wohl auch nicht. Mich macht das immer noch wütender: Diese Kirche nimmt weiterhin die Frauen nicht wahr, obwohl sie oft gut ausgebildet sind, obwohl sie mittlerweile in der Gesellschaft und der Politik akzeptiert werden – und obwohl sie Charismen und Fähigkeiten haben, die der Kirche guttäten.
Die Wurzeln der Kirchenhierarchie gehen zurück ins 4. Jahrhundert, als die christliche Religion zur Staatsreligion wurde und die Kirche als Institution die Strukturen der Gesellschaft imitierte: hierarchisch wie der Staat, mit einer gehorsamen Gemeinde, mit Bischöfen und Priestern als ersten Untergebenen, ähnlich den Fürsten, und einem Papst als Oberstem, vergleichbar dem »König von Gottes Gnaden«. Nur in der Kirche ist alles beim Alten geblieben. Warum?
Ich habe kürzlich einen Vortrag zum Thema »Frauen in der katholischen Kirche« gehalten. Der Dekan, der das Ganze veranstaltet hat, behauptete, der Papst sage, er möchte ja das gerne ändern, aber er könne nicht; denn Jesus habe die Frauen nicht geweiht. Er hat aber auch keine Männer und keine Bischöfe geweiht. Eine Frau sagte: »Dann dürfte der Papst jetzt, wie Jesus auch, nur Juden weihen und nur Männer mit Bart, Fischer eben.« Katholische Kirchenmänner finden solche Witze aber gar nicht lustig. Anders gesagt: Was die katholische Kirche mit den Frauen macht, ist Diskriminierung. Das geht nicht.
So wie dieser Dekan denken viele in der katholischen Kirche. Sie hingegen legen dar 29 , dass vom Wesen der Kirche Jesu Christi her Frauen problemlos Zugang zum Amts-Priestertum haben und zu Diakonen geweiht werden könnten. Wieder einmal gehen Sie an die Quellen und nehmen Jesus und die
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