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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlis Prinzing
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Reformbewegungen – wie die »Initiative Kirche von unten« 24 , die Kirchen-Volks-Bewegung »Wir sind Kirche« 25 und so weiter …
    Ja, es gibt Bewegung, doch es geht alles sehr langsam, weil die Beharrer weiterhin das Sagen haben und auch, weil Unsicherheit herrscht. Ich wurde vor einiger Zeit eingeladen nach Stuttgart in einen Gottesdienst, der von Frauen gestaltet wurde. Wunderschön. Sie fragten mich, ob ich die Predigt halten würde. Eigentlich darf eine Frau ja das Wort schon gar nicht in den Mund nehmen. Es gab ein Hin und Her mit dem Kaplan. Schließlich einigten wir uns, dass wir Datteln und Wein segnen wollten – als Bild: Unser Leben gleicht oft einem Weg durch die Wüste, wir kommen im Gottesdienst zusammen und segnen Datteln und Wein für den Weg durch die Wüste. Was ist dabei? Jede Mutter kann am Küchentisch segnen und austeilen. In der Predigt zitierte ich einen Bischof aus Afrika: »Das stärkste Sakrament, das uns Jesus gegeben hat, ist das, wo er sagt: Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen. Also«, sagte ich, »wenn wir hier zusammenkommen, dann können wir dem Wort Jesu vertrauen.« Wir sollten viel mehr machen. Einfach so.
    Fehlt hier kirchliche Zivilcourage?
    Ja, auch. Viele denken, wir wollten zwar, können das aber nicht, weil die Kleriker das nicht wollen. Zumindest fällt es nicht leicht. Wichtig ist, sich nach Gleichgesinnten umzusehen und dann einfach zu handeln.
    Dinge in die Hand nehmen – dafür finden sich in Ihrem Werdegang viele Beispiele. Als Ihr Vater Ihnen den Auto-Führerschein in Aussicht stellte, haben Sie dafür gesorgt, dass er nicht anders konnte, als Sie sofort anzumelden. In der Missionsarbeit hat Ihnen dieser Führerschein später sehr viel genützt.
    O ja, es war gut, dass ich fahren konnte. Mein Vater war Bauunternehmer und baute bei einem Fahrlehrer. Den fragte ich, ob mein Vater vergessen habe, mich anzumelden, und er solle ihn ansprechen. Da konnte mein Vater nicht mehr Nein sagen. Gebettelt hätte ich aber nie. Als er mir sein Auto für eine Spritztour nicht geben wollte, habe ich eines gemietet. Mit ein bisschen Betteln hätte ich es sicher gekriegt. Doch das kam für mich nicht infrage. Es ist immer wieder nötig, Dinge einfach in die Hand zu nehmen. Das habe ich oft gemacht, auch bei den »Missio«-Fortbildungen in Priesterseminaren. Die Missionstheologie steht dort eigentlich nicht auf dem Stundenplan. Man muss trotzdem unbedingt ansprechen, wie die junge Kirche in Afrika und Asien mit dem Glauben umgeht. Die sind zwar katholisch, aber ganz anders. Es gibt eine Basisgemeindebewegung und manche Gedanken, die man aufgreifen kann, um die Kirche generell lebendiger zu machen.
    Weshalb ist aber generell in der Kirche die Bereitschaft, sich unterzuordnen, weiterhin groß?
    Weil immer auch Unsicherheit bleibt: Mache ich das auch wirklich richtig? Dieser Gott ist so unbegreiflich. Wenn dann noch einer mit Bestimmtheit sagt, das geht so und so, dann glaubt man sich rasch dort auf der richtigen Seite. Der andere Weg, der Weg, Neues zu versuchen, bedeutet ein Stück weit ein Abenteuer – und verlangt das Vertrauen und das Selbstvertrauen, es schon richtig zu machen.
    Spielt Angst eine Rolle? Angst vor Zurechtweisungen?
    Nein, das ist es nicht. Sondern: Man möchte ja zu dieser Kirche gehören und nicht spalten. Die heilige Teresa von Ávila 26 finde ich großartig. Sie war forsch, hasste die Kleingläubigkeit, mochte nicht, wenn Schwestern so ängstlich waren. Aber sie schrieb auch ihren Zweifel nieder: Um Gottes willen, Gott, wenn Du doch ganz anders bist!
    „ Man möchte ja zu dieser Kirche gehören und nicht spalten. ”
    Sind die Offenheit für den Zweifel und diese Bereitschaft, sich einzuordnen und nicht zu spalten, Wesenszüge, die eher Frauen eigen sind?
    Das weiß ich nicht.
    Zumindest scheinen es ja in der Mehrheit Männer zu sein, die beharren und keine Veränderung wollen.
    Aber ist nicht genau das ein Zeichen von Angst?
    Inwiefern ist das einfach ein Führungsthema? Manche wollen den Ton angeben, andere ordnen sich lieber unter.
    Nach dem Zweiten Vatikanum, als die alten Hierarchien auflösbar wurden und durch Kollegialität ersetzt werden konnten, überlegten wir Schwestern: Wir sind erwachsene Leute, wir brauchen doch nicht unbedingt eine Oberin, die sagt, was wir zu tun haben. Wir sind doch alle gleich, wir regeln das, teilen uns die Arbeit ein. Das wurde in einigen Gemeinschaften auch so gemacht. Manche

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