Meine Wut rettet mich
Funktionen gegebene Autorität Sie gereizt, bestimmte Posten und die mit diesen verbundene Verantwortung zu übernehmen?
Autorität hat mich gar nicht gereizt. Es blieb kein anderer übrig, und einer muss es machen. In solchen Momenten gibt es dann so etwas wie Verantwortung, deshalb habe ich dann jeweils gesagt: »Gut, wenn kein anderer da ist, dann mache ich das.« Das hat gar nichts damit zu tun, dass ich einen Autoritätsposten angestrebt hätte. Es fällt vielen schwer, das zu verstehen. Ich bin von den Äbten aller Länder der Welt in einer schwierigen Situation gewählt worden, und es blieb mir nichts anderes übrig, als Ja zu sagen, falls ich noch ein Verantwortungsbewusstsein für den ganzen Orden in mir trage.
Sie sagten, Sie wollen keinen beeinflussen. Tatsächlich haben Sie aber großen Einfluss.
Vielleicht gibt es ja eine natürliche Autorität, die in manchen Situationen beeinflusst. Ich will aber niemals absichtlich beeinflussen oder manipulieren. Solche Erwartungen will ich gar nicht erfüllen. Ich habe mir bei keiner Sitzung, egal um welche Projekte es ging, überlegt, wie ich das nun formuliere, damit ich die Zustimmung der anderen bekomme. Ich konzentriere mich auf die notwendige Sachfrage, die muss auf den Tisch und diskutiert werden. Ich habe mitunter gar keine Lösung im Kopf, und das spielt auch keine Rolle. Es muss die richtige Lösung gefunden werden, aber sie muss nicht unbedingt meinem Vorschlag entsprechen.
„ Es muss die richtige Lösung gefunden werden, aber sie muss nicht unbedingt meinem Vorschlag entsprechen. ”
Sie gingen ins Kloster, als die Strukturen dort autoritärer waren als heute, und erlebten sicherlich Lehrmeister, die Sie disziplinieren, beherrschen und Ihnen ihre Lösung aufzwingen wollten.
Ja, das habe ich erlebt. Doch ich habe das selbst so nie gewollt und getan.
Warum wirkte auf Sie dieses Vorbild nicht? Oft erlebt man, dass sich Menschen in Führungspositionen so verhalten, wie sich andere Chefs ihnen gegenüber zuvor verhalten haben. Wie kamen Sie auf einen anderen Weg?
Durch die Evangelisten bin ich umgekippt. Da gibt es die Geschichte von der Mutter der Zebedäussöhne. Sie wollte, dass ihre beiden Söhne zur Rechten und zur Linken im großen Reich sitzen, worauf Jesus eben diesen Satz entgegnete, der mir im Kopf hängen blieb, schon vor Langem: »Die Herrscher dieser Welt unterdrücken die anderen und lassen sich von ihnen bedienen, bei euch aber soll es nicht so sein.« In der Nachfolge Christi voranzugehen, bedeutet dienen.
Wie vermitteln Sie diese Vorstellung von Führung als Lehrender?
Indem ich es vorlebe und indem mir keine Arbeit zu viel wird, nichts zu schmutzig ist. Als die Angestellten im Urlaub waren, wollte ich Abspülen gehen nach dem Mittagessen. Es waren nur noch zwei junge Mitbrüder hier und ich wollte ihnen helfen, doch einer von beiden schob mich aus der Küche und fand, sie schafften das alleine. Das nehme ich dann auch wieder in Demut an und dränge mich nicht auf. Aber ich war bereit zu helfen, das wirkt sicher viel mehr als viele Worte. Mir sind Meditationen über Texte aus dem Neuen Testament oder über die Psalmen sehr wichtig, durch die ein ganz anderes Gottesbild rüberkommt als das, das wir gewohnt sind. Dies wirkt in das konkrete Leben hinein.
Vieles krankt am Muster, dem Druck mit Gegendruck und der Gewalt mit Gegengewalt zu begegnen. Inwiefern lässt sich dieses alte Muster durch das von Ihnen erklärte gemeinschaftsorientierte Führungsmuster ersetzen?
Das alte Muster wird weiter gelten. Die Welt denkt anders. Ich kann die Welt nicht umkrempeln. Das konnte auch Jesus nicht. Aber ich kann eines tun: Zeugnis ablegen für eine andere Möglichkeit. Und für eine andere Art zu leben.
„ Die menschliche Veranlagung ist aufs Herrschen ausgerichtet. ”
Haben Sie resigniert?
Nein, ich bin realistisch. Die menschliche Veranlagung ist eine andere: Sie ist aufs Herrschen ausgerichtet. Dies kann man sehr gut aus der Verhaltensbiologie ersehen, besonders aus der Primatenforschung. Rangstreben steckt in uns, auch Machtstreben, Territorialstreben, Besitzstreben. Aber wir können etwas anderes damit machen. Es gibt etliche Beispiele dafür: Menschen, die nachts freiwillig Krankendienst machen, Lehrer, die sich für ihre Schüler einsetzen, Persönlichkeiten wie Mutter Teresa …
Inwiefern ist diese Gelassenheit, die Sie jetzt ausstrahlen, Ergebnis eines Prozesses?
Ich glaube, man muss irgendwann gelassen werden. Und vielleicht
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