Meine Wut rettet mich
kenne ich mich noch zu wenig.
Ist das überhaupt von Übel?
Nun, es braucht ein paar Deppen, die auf der Bühne stehen.
Naja, es braucht vor allem Leute, die etwas zu sagen haben und die passenden Worte finden.
Das ist klar und dann passiert es eben. Dann reagieren Menschen teils mit Beifall, teils anders. Ein früherer Heimatpfarrer wurde eifersüchtig: »Du kannst gut singen, du kannst gut predigen, dir fallen die Leute zu«, warf er mir vor. Da stehe ich dann hilflos da. Was kann ich dafür? Das mag so sein, und ich nehme in Demut wahr, dass das eben auch negativ empfunden wird.
Man kann es auch anders betrachten: Ist es nicht vielmehr Auftrag, genau die Menschen, die solche Begabungen haben, nach vorne zu schicken, weil gerade sie Anliegen überzeugend vermitteln können und damit letztlich allen dienen?
Auch das sagen mir viele Leute. Dass ich auch im Fernsehen so bekannt wurde, hängt mit dem Bayerischen Rundfunk zusammen. Die kannten mich von irgendwoher und baten mich, bei der Reise des Papstes 2006 nach Bayern als einer der Kommentatoren aufzutreten. Hinterher erhielt der Bayerische Rundfunk viele Zuschriften, in denen es hieß, endlich mal einer, der auch etwas Geistliches in seine Kommentare einbringt und dies in einer Sprache, die wir verstehen können. Also wurde ich weitere Male gebeten. Das nützt ja auch dem Sender. Und wenn es um die Möglichkeit geht, den Glauben zu vermitteln, dann sehe ich mich durchaus in der Verantwortung. Der Unterschied ist: Mir geht es nicht darum, auf der Bühne zu stehen, die Bühne ist ein Mittel zur Verkündigung.
„ Sollte ich da »Nein« sagen? Gerade wenn es darum geht, den Glauben zu vermitteln? ”
Manche unterstellen Ihnen trotzdem Eitelkeit.
Das ist so. Dabei bin ich selbst gar nicht der Drahtzieher dieser Auftritte, es fordern einen viele auf. Sollte ich da »Nein« sagen? Gerade wenn es darum geht, den Glauben zu vermitteln? Dann bräuchte ich ja gar nicht in die Verkündigung zu gehen. Verkündigung lebt vom Wort, vom Bild, von der Sprache, von der Musik, von alldem. Manche interpretieren, ich stünde ja auf der Bühne, weil ich eitel sei. Das muss ich hinnehmen. Menschen verstehen manches nicht, wenn es sich von ihren Denk-Kategorien unterscheidet. Ich bin zum Beispiel früher leidenschaftlich gern Auto gefahren, zwischendurch auch schnell; waren die Straßen frei, sah ich nicht ein, weshalb ich langsam fahren sollte. Mittlerweile fahre ich kaum noch selbst, sondern lasse mich, wenn irgend möglich, von jemandem fahren. Doch das alles passt nicht in das Klischeebild, das manche sich von mir malen. Denn ich liebe angeblich schnelle Autos und werde nie das Steuer aus der Hand geben. Es gibt noch viele Beispiele. Die Leute haben ihre Klischees, ihre Vorstellungen von Macht. Dabei spielt eine Rolle, was sie selbst gerne erreichen würden. Also wird mir unterstellt, ich könne nicht aufhören. Und so glaubt mir auch keiner, dass ich eines Tages kein Flugzeug mehr besteigen werde.
Aber der Tag wird kommen?
O ja, und da freue ich mich heute schon drauf. Es ist vieles nicht so, wie sich die Leute das denken. Der Satz: »Au, der hat aber Karriere gemacht« ist so ein Beispiel. Das ist für mich gar keine Kategorie. Ich habe noch nie etwas von dem gesucht, was ich dann geworden bin. Jedenfalls ganz selten.
Anfangs mussten Sie schon selbst Weichen stellen. Sie wollten Missionar werden und Benediktiner.
Ja, das war schon eine eigene Bewegung. Obwohl auch da dann vieles zunächst gar nicht so wurde, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich wurde lange Zeit eben gerade nicht Missionar und dachte schon, der Traum sei aus. Plötzlich war ich dann doch Missionar, indem ich auf einmal für das missionarische Wirken der ganzen Kongregation zuständig war. Ich wollte nie von mir aus Erzabt von St. Ottilien 35 werden. Ich habe daran nicht im Entferntesten gedacht oder gar davon geträumt. So war es auch, als ich 1996 zum Abtprimas 36 gewählt werden sollte. Damals habe ich abgelehnt. Viele verstanden das nicht, das habe es noch nie gegeben. Ich sagte, Rangstreben ist nicht meine Kategorie. Für mich ist das eine Sachfrage. Ich habe damals die Äbte meiner Kongregation gefragt, was ich tun solle, die große Mehrheit der Benediktiner-Konföderation wolle mich zum Abtprimas wählen. »Unmöglich«, fanden sie, »du kannst jetzt nicht nach Rom ziehen, wir brauchen dich selbst.« Also habe ich abgelehnt, das war für mich kein Problem. Als ich vier Jahre später nochmals
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