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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlis Prinzing
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angeprangert: Die Leute machen unfähige Politiker, Manager und Gewerkschafter für alles verantwortlich, fassen sich aber nicht an die eigene Nase. Jeder weiß, so geht es nicht weiter, ändert aber nichts, weil man Sicherheiten und Besitzstände aufgeben müsste. Sie plädierten für Veränderung und für den Aufbruch in eine zukunftsfähige Gemeinschaft. Wie ist Ihre Bilanz: Müssten Sie heute nochmals dasselbe schreiben?
    Die Grundhaltung ist geblieben: Es wird versucht, die Bevölkerung zu bevormunden, und die Bevölkerung lässt sich bevormunden. Nicht umsonst hat der Verlag das Buch 2010 neu aufgelegt …
    Worauf würden Sie heute den Schwerpunkt der Kritik legen?
    Auf den Egoismus im Wirtschafts- und Finanzbereich und auf die Dreistigkeit, diesen noch zu verteidigen. Es wurde unvorstellbar viel Korruption und Kriminalität sichtbar. Wir stellen uns Kriminelle gerne als finstere Gesellen vor. Die Finanzkrise zeigte endgültig und überdeutlich, wie viele Kriminelle in Schlips und Kragen daherkommen. Solche Typen gibt es in allen Berufsbereichen. Das würde ich heute viel stärker herausstellen. Und außerdem die Verantwortung der Manager der Hedgefonds, der großen Finanzinvestoren, aber auch die der Aktionäre. Denn die Großbesitzer von Aktien treiben die Manager an. Angelpunkt ist der Egoismus. Ich kann heute viel Geld machen, doch an die Freiheit ist von jeher die Verantwortung geknüpft. Wenn mir ein Banker sagt, wir haben diese faulen Papiere ja nur gekauft, weil wir unser Geld anlegen mussten, glaube ich ihm nicht, obwohl ich kein Geldexperte bin. Ich bin sicher, es hätte andere Möglichkeiten gegeben. Da lockte einfach das große Geld.
    Wäre für Sie die Gier heute ein zentrales Thema? Sie sucht ja viele heim – in allen Einkommensklassen.
    Ich würde heute herausstellen: Die Leute sollten sich wieder unabhängig machen und: »nicht brauchen« wollen. Ich brauche fast nichts. Es ist eine Illusion, dass materielle Güter Freiheit bedeuten. Das gilt auch für die Superreichen. Sie haben so viel Geld, dass sie es persönlich nie verbrauchen könnten, frei sind sie aber nicht. Bei ihnen geht es nur um Status und Rang. Milliardäre streiten wie kleine Kinder: Wer von uns ist der Reichste? Bei Kriegsherren ist das ähnlich. Wenn sie durch Rang- und Territorialstreben stark geworden sind, müssen sie noch mehr Besitz haben, wie kleine Buben: Sie spielen zunächst friedlich miteinander, und wenn ihnen nichts anderes mehr einfällt, fangen sie Streit an und Krieg. Wer ist der Größte? Wer ist der Star? Ähnlich ist es zu beobachten an Stammtischen. Es ist derselbe Verhaltensmechanismus, dieses Rangstreben, das in den Menschen als animalisches Erbe steckt. Es wäre ein Zeichen von Reife und Erwachsensein, andere Wege des Miteinanders zu suchen.
    Die Freiheit als Weg zu mehr Sinn und Menschlichkeit?
    Ja, und mit der Freiheit ist mir die Verantwortung gegeben, nicht einfach so zu handeln, wie mir das gerade in den Sinn kommt, sondern klar zu erkennen, was gut ist, und dann das Gute zu tun – sich nicht unterjochen zu lassen von anderen Bestrebungen, seien es die eigenen Triebe oder die Positionen und das Drängen anderer Menschen. Die Selbstständigkeit zu haben, bewusst zu handeln, macht für mich die eigentliche Freiheit aus.
    Was bewahrt Sie davor, der Gier anheimzufallen, so wie viele andere?
    Vielleicht spielt eine Rolle, dass ich als Kind viel krank war. Ich habe gespürt, mir würde auch viel Geld nicht helfen, und auch kein Rang. Wir hatten zwar nie viel Geld, aber dennoch habe ich früh begriffen, dass das nicht entscheidend ist. Was Krieg bedeutet, begriff ich durch die täglichen Gebete mit meiner Mutter, der Vater möge heil zurückkehren. Je älter ich wurde, desto klarer wurde mir: Wir brauchen so vieles gar nicht. Ich brauche nur so viel, dass ich unbesorgt leben kann, mehr nicht. Ich stand an vielen Gräbern. Dort bleiben die Titel hängen, das Geld bleibt bei den Erben und oft zerstört es die Familien. Es klingt lakonisch, aber so ist es doch.
    In Ihrer Jugend gehörten Sie oft zu den Schwachen, um ein Haar wären Sie ein Jahr später eingeschult worden, der Novizenmeister fand, Sie seien zu schmächtig für den Missionsdienst. Hat diese Erfahrung, als schwach zu gelten, Sie stärker gemacht?
    Ja, zumindest distanzierter, souveräner.
    Erzählen Sie bitte ein frühes Beispiel für diese Souveränität.
    Mein Onkel hat mich nach meinem Abitur am Kragen gepackt, mich geschüttelt und

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