Meine Wut rettet mich
so, als würden sich einfach zwei gerade nicht vertragen, seien nicht bereit, ihre Probleme auszutragen, und würden sich dann eine neue Partnerin oder einen neuen Partner suchen. Das mag in manchen Fällen zutreffen. Welche Nöte aber in solchen Ehekrisen durchgestanden werden, und teils auch nach der Trennung, das wird nicht gesehen. Da fehlt ein Wort der Barmherzigkeit oder des Verständnisses. Wir bräuchten eine menschlichere Kirche, die ein Ohr hat für die Nöte der Gesellschaft, und nicht nur Gesetze hervorkehrt.
Können Sie auch die Kritik am Frauenbild nachvollziehen, das in der katholischen Kirche herrscht – vor allem am Ausschluss von Ämtern und Priesterweihe?
Teils ja, aber nicht so weitgehend, wie die feministische Theologie 40 das will. Eine Generaloberin in Afrika hat viel mehr zu melden als viele Pfarrer. Eine Äbtissin hat auch den Abts-Stab, trägt auch das Brustkreuz, nur kann sie eben keine Messe feiern. In der Verwaltung und Jurisdiktion haben diese Frauen durchaus großen Einfluss. Meines Erachtens wird die ganze Frage in unserer Gesellschaft viel zu oberflächlich diskutiert. Ich kenne vor allem die Benediktinerinnen. Ein Benediktinerinnenkloster läuft anders als ein Benediktinerkloster. Ich kann es nicht gleichstellen. Es ist gleichwertig, aber ich kann es nicht gleichstellen. Eine Frau ist kein Mann, sonst wird sie zu einem Mannweib. Die Verweiblichung des Mannes wäre ebenso wenig das Richtige. Die Sensibilitäten von Frau und Mann sind nun mal verschieden.
Genau deshalb können sie sich ja ergänzen, jeder auf seine Weise.
Das ist das Gute daran, und diese Ergänzung brauchen wir. Das erreichen wir durch die Zusammenarbeit der Klöster. Aber die Unterschiede bleiben: Das Gästehaus eines Frauenklosters wird anders geführt, da herrscht eine andere Atmosphäre. Sie können dieselben Strukturen haben, und doch läuft es anders. In einer Frauengemeinschaft sind viele kleine Dinge wichtig, die können sich leichter wegen Kleinigkeiten zerstreiten, während die Männer sagen, das schert mich nicht. Die können sich dafür in Situationen die Köpfe einschlagen, in denen Frauen viel umsichtiger und sensibler wären. Im Umgang miteinander und in der Führung von Gemeinschaften könnten Männer und Frauen voneinander lernen.
Nochmals: Warum sollte man dann nicht beide Geschlechter gleichwertig einbeziehen und sie jeweils ihr Bestes einbringen lassen?
Dazu müssen sie aber nicht dasselbe tun. Ich denke wieder an Mutter Teresa: Sie musste gar nicht Priester sein, sie brachte auch so enorm viel ein und hatte sehr viel Einfluss auf Johannes Paul II. In meiner Kongregation wollte der Gründer, dass wir Krankenhäuser und Armenpflege haben. Dann ergab es sich, dass ein weiblicher Zweig gegründet wurde, die Tutzinger Missionsbenediktinerinnen. Wir haben an vielen Orten mit ihnen zusammengearbeitet. Für die Arbeit mit Familien sind Frauen wesentlich besser geeignet. Sie verstehen sich mit den Müttern besser als die Männer, denn sie haben eine andere Art von Menschlichkeit. Das ganze Kapitel des wirklichen Frauseins und des wirklichen Mannseins ist bis heute nicht aufgearbeitet und wird sich wohl nie ganz aufarbeiten lassen. Frauen wie Alice Schwarzer haben das Thema in eine bestimmte Richtung gedrängt. Ich schätze sie, sie hat wichtige Themen aufs Tapet gebracht. Wenn sie sich aber rühmt, abgetrieben zu haben, dann kann ich mich nur wundern.
Sie haben Vergebung als einen Kern des christlichen Glaubens beschrieben. Welche Haltung steht dahinter?
Zunächst handelt es sich um eine psychische Frage: Wenn ich tief, bis in die Seele hinein verletzt bin, ist es schwer, dies aufzuarbeiten. Unter Umständen ist es für einen, der nicht glaubt, sogar unmöglich. Vielleicht hat er dennoch die Seelengröße, vergeben zu können. Ich möchte nicht bestreiten, dass es solche Leute gibt. Aber: Einen Gott zu kennen, der mich auffordert zu vergeben, der mir damit aber auch die Vergebung in Aussicht stellt, die ich selbst brauche, der motiviert mich, tatsächlich zu vergeben. Vergebung hat nichts damit zu tun, Unrecht zu bagatellisieren, es herunterzuspielen, oder damit, dass ein Unrecht auf einmal Recht wäre und das Geschehene plötzlich in Ordnung wäre. Gerade die Vergebung beinhaltet: Du hast Unrecht getan, trotzdem vergebe ich dir. Ich war in einer Fernsehdiskussion gemeinsam mit Michael Buback. Er verzehrt sich, um zu erfahren, welcher Terrorist seinen Vater umgebracht hat. 41 Deshalb wollte er
Weitere Kostenlose Bücher