Meine Wut rettet mich
ist das Zentrum des Glaubens der Versuch, nach der Mentalität Jesu, nach seinen Anliegen zu leben. Auch wenn vieles danebengeht. Auch bei mir. Auch in mir wächst das Unkraut mit dem Weizen. Wir sind alle keine Perfektionisten und müssen dies Gottseidank auch nicht sein. Das Evangelium entlastet mich. Es gibt mir zwar keinen Freibrief; Jesus fordert die Leute auch. Aber umgekehrt, wenn ich verzweifle, weil etwas danebenging, dann sagt Jesus: »Komm, es gibt noch anderes, es wird dir auch vergeben.«
„ Das Unkraut wächst mit dem Weizen. Wir sind alle keine Perfektionisten und müssen dies Gottseidank auch nicht sein. ”
Was ist Vergebung für Sie?
Die Vergebung ist die zentrale Botschaft des Evangeliums: Dies ist mein Leib für das Leben der Welt, und dies ist der Kelch des neuen Bundes zur Vergebung der Sünden.
Die Kirchen öffnen sich längst auch neuen Medien, das Internet spielt eine große Rolle. Inwiefern verändert sich das Leben in Ihrer realen Gemeinschaft durch die virtuellen Gemeinschaften?
Das Schlimme ist: Man hat keine Ruhe mehr. Zu jeder Tages- und Nachtzeit kommen Mails, die Leute erwarten die Antwort fast schon, ehe sie die Mail abgeschickt haben.
Man könnte den Computer herunterfahren.
Mach ich natürlich. Dann sind nachher allerdings 150 Mails in der Box. Früher kam morgens um acht die Post und man hatte den ganzen Tag Zeit, sie zu erledigen – heute wäre das gar nicht mehr machbar. Dann wurde das Fax üblich. Meines stand im Arbeitszimmer neben dem Schlafzimmer, ich hörte nachts im Schlaf das Klingeln, wenn wieder eines eintraf; bei mir kamen die Faxe von überallher auf dem Globus und deshalb zu allen Tages- und Nachtzeiten. Mails höre ich jetzt wenigstens nicht.
Fühlen Sie sich durch das Internet besser verbunden mit den Menschen?
Nein, leichter. Vor allen Dingen lassen sich Termine und Absprachen leichter treffen, vieles ist leichter zu managen und schneller zu erledigen.
Stille, mit sich selbst und allein zurechtkommen, geistlich reifen – all dies gehört traditionell zu Ihrem Ordensleben. Wie vereinbaren Sie das mit Ihrem Terminkalender und mit der dauernden elektronischen Erreichbarkeit?
Man muss sich feste Zeiten schaffen. Anders geht es nicht. Kürzlich war wieder einmal mein ganzer Schreibtisch voll mit Problemen, die Mailbox quoll über und ich hatte Angst, das alles gar nicht mehr zu schaffen. Dann läutete die Glocke für die Vesper. Ich überlegte, ob ich nicht besser weiterarbeite. Da fiel mir ein: Benedikt sagt, dem Gottesdienst werde nichts vorgezogen. Ich ließ alles stehen und liegen und ging zur Vesper. Da wurde mir bewusst: Ich muss gar nicht zur Vesper gehen, ich darf! Ich darf aussteigen aus dem Druck des Alltags. Was bin ich für ein freier und glücklicher Mensch! Hier ist auf einmal etwas anderes wichtiger, und die Probleme können mal warten. Nach der Vesper folgte das Abendessen, dann machte ich eine Viertelstunde Musik, dann nochmals ein kurzes Gebet. Danach habe ich weitergearbeitet, aber ich habe mich eben nicht durchtreiben lassen.
Auch der Nachwuchs im Orden wird heute medial anders sozialisiert. Wie regulieren Sie die dauernde Erreichbarkeit und damit auch die ständige Unterbrechbarkeit der inneren Stille?
Es gibt auch junge Leute, die gar nichts damit zu tun haben wollen. Die Laptop-Nutzung ist von Kloster zu Kloster verschieden geregelt, in vielen gibt es gemeinsame Computer in einem Computerraum; ich finde es gut, den Gebrauch auf bestimmte Zeiten und Orte einzuschränken.
Wie profitieren Sie als Orden durch das weltweite Netz?
Wir können ganz anders darstellen, was in den Klöstern geschieht, und besser kommunizieren. Das ist ein riesiger Vorteil. Die meisten Klöster haben ihre Websites, auch die kontemplativen. Viele derer, die heute an die Klosterpforten klopfen, haben den Weg über das Internet gefunden. Es spielt dabei eine wichtige Rolle, ob die Website regelmäßig erneuert wird. Wenn einer sieht, da ist eine Website drei Jahre nicht mehr aktualisiert worden, verliert er das Interesse.
Ist Seelsorge über das Internet möglich?
Ja, sicher. Zumindest auch über das Internet. Es gibt Gebetsgemeinschaften, sie sind auch bei Schülern beliebt. Es gibt Chat-Portale ähnlich der Telefonseelsorge. Man muss dem Rechnung tragen, dass dieser Medienkanal für junge Leute selbstverständlich ist. Aber man stößt bald an Grenzen. Die menschliche Stimme ist nicht zu ersetzen, auch Skype hilft da nur wenig weiter.
Und soziale
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