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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlis Prinzing
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auch nicht, dass Christian Klar jetzt freikam.
    Sie würden Christian Klar 42 vergeben?
    Ich kann die Haltung von Buback verstehen. Christian Klar hat sicherlich Schlimmstes begangen. Doch trotzdem bleibt auch er noch Mensch. Man sollte ihm zugestehen, nach 26 Jahren freizukommen, seine weiteren Jahre menschenwürdiger als im Knast zu verbringen und sich noch eine Existenz aufzubauen. Sicher, er hat keinen Anspruch darauf, doch genau dies ist ja Gnade, ihm das trotzdem zuzugestehen.
    Und Buback? Was nützt es ihm zu vergeben?
    Er könnte sagen: »Ich habe zwar immer noch nicht erfahren, wer die Mörder meines Vaters sind. Aber ich schneide den Faden hinter mir ab und vergebe.« Damit wäre er frei. Buback merkt nicht, dass er weiterhin ein Gefangener der RAF ist. Vergebung befreit den Menschen.
    Was ist Gnade?
    Gnade gehört zur Vergebung. Auf beides habe ich keinen Anspruch. Das Bittere ist, dass ich um Verzeihung bitten muss. Indem ich das tue, mache ich mich abhängig von dem anderen, davon, ob er mir die Gnade schenkt – und vergibt. Genau diese Demut macht die Ehrlichkeit aus.
    Wo ist die Barmherzigkeit?
    Die drückt sich in der Gnade aus. Dadurch, dass mir der Mensch wichtiger ist als ich mir selbst.
    Welche Rolle spielt dabei die Seelsorge?
    So wie ich sie verstehe, müsste sie ein Zeugnis der Barmherzigkeit Gottes sein. Auch wenn sie das oft nicht ist. Aber das ist das Ziel. Jesus hat nichts anderes gepredigt als die barmherzige Liebe Gottes. Das heißt nicht, dass ich zu allem »Ja« und »Amen« sagen darf oder muss. Es heißt aber, dass ich letzten Endes dem reuigen Sünder das Erbarmen schenke und sage, okay, das ist das Gesetz aller. Du bist mehr.
    Wo bleibt die Gerechtigkeit?
    Viele Leute suchen keine wirkliche Gerechtigkeit, sondern ausschließlich eine Gerechtigkeit nach dem Gesetz. Dies ist die Grundnorm, das sage ich natürlich auch. Aber schon die griechischen Philosophen wiesen darauf hin, dass die Einhaltung der Gesetze, auf die Spitze getrieben, zum größten Unrecht führen kann: »summum ius, summa iniuria«, wie die Römer sagten. Wende ich ein Gesetz erbarmungslos an, kann es Menschen zerstören. Auch weil kein Gesetz alle möglichen Einzelfälle vorwegnehmen kann, ein Gesetz ist immer etwas Allgemeines. Will ich wirklich gerecht sein, muss ich den ganzen Umständen gerecht werden. Dann können verschiedene Gesetze ins Spiel kommen, vielleicht auch Grundanliegen, wie die Rettung eines Menschenlebens. Ich denke hier an den Fall einer Asylantenfamilie, der wir in Sankt Ottilien Kirchenasyl gegeben haben. Der Innenminister sagte, er verstehe, durch die Abschiebung würde die Familie zerstört, aber er sehe einfach kein Gesetz, mit dem er begründen könne, dass sie bleiben dürfe, und er sei verpflichtet, für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen. 43
    Würde nicht die Moral helfen?
    Genau das ist es: Auf der einen Seite gibt es Gesetzesgerechtigkeit. Und auf der anderen die Moral; und die bedeutet, dass ich den ganzen Menschen in den Blick nehme.
    Was bedeutet Toleranz?
    Toleranz kann bedeuten, die Überzeugungen und Auffassungen anderer zunächst einmal als solche gelten zu lassen. Nicht als meine eigenen. Toleranz bedeutet nicht, dass alles gleich gültig oder gleichgültig wäre. In meinen Augen kann etwas ein Irrtum sein, wenn aber einer meint, seiner Auffassung nach, sei das richtig, respektiere ich diese Meinung, muss sie aber deswegen nicht ebenfalls als richtig anerkennen. Man muss Person und Sache trennen. Am Beginn der Demokratie in Südkorea haben sich die Parlamentarier zunächst handgreiflich bekämpft, nicht mit Argumenten. Es konnte sogar sein, dass der Präsidentenpalast durch Sit-ins so belagert war, dass der Parlamentspräsident das Haus nicht verlassen konnte und die Abstimmung verschoben werden musste. Das ist Intoleranz. Toleranz ist, wenn Politiker sich in der Sache heftigst streiten, danach aber zusammen ein Bier trinken.
    Wo sind die Grenzen?
    Ich will dem anderen seine Würde und seine Meinung lassen und ihn nicht unterdrücken. Aber ich lasse mich auch nicht von ihm unterdrücken. Den Respekt, den ich ihm entgegenbringe, erwarte ich auch für mich. Wenn er mir das nicht zubilligt, dann muss ich dafür kämpfen.
    Auch Gehorsam kann Grenzen setzen. Eines Tages hieß es, Sie und zwei Mitbrüder sollten nach Rom, um Philosophie zu studieren. Das war nicht Ihre Wahl. Nur die Vertiefung, die Naturphilosophie.
    Ich sage das auch den jungen Mitbrüdern: Gehorsam scheint

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