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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlis Prinzing
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eröffnete, Mönch zu werden, sagte er nichts. »Papa stand auf und segnete mich.« Die Mutter, die oft als Puffer zwischen Vater und Sohn gewirkt hatte, weinte vor Rührung.
    Im August 1978, kurz nach dem Abitur, zog Bernd ins Kloster Werne an der Lippe; am 1. Oktober 1978, für ihn bis heute »der schönste Tag in meinem Leben«, wurde er als Kapuziner eingekleidet und heißt seither Paulus. Auf die Ewige Profess 1983 folgte zwei Jahre später die Priesterweihe.
    Paulus studierte Theologie, danach Gestaltberatung in Wien, schloss eine Weiterbildung in Soziotherapie an. Er unterzog sich 90 Unterrichtsstunden lang einer Selbstanalyse und stellte ernüchtert fest: Offenbar war nicht Bekehrung, sondern das Verhältnis zu den Eltern entscheidend für seinen Weg ins Kloster. »Ich suchte Distanz zur Mutter und wollte Papa zwingen, mich zu lieben und gut zu finden.« Diese Erkenntnis kränkte ihn. »Ich hatte mich auf dem Weg der Gnade geglaubt. Doch vieles hatte nur mit Biologie, mit meiner Herkunft zu tun.« In Momenten wie diesen fühlte er sich einsam, aber Gott noch näher. »Ich fühlte mich nie verlassen. Das gebrochene Brot zu essen, ist die wunderbare Zusage: ›Ich bin bei dir.‹« Dieses Gefühl möchte er durch seine Seelsorge an möglichst viele Menschen weitergeben.
    Rasch folgten weitere Stationen: 1989 übernahm er die Leitung des »Klosters zum Mitleben« in Stühlingen. 1992 versetzte der Orden ihn nach Gera, wo er in der Krankenhausseelsorge arbeitete und eine Hospizbegleitung aufbaute. 1998 wechselte er als Guardian in das Kloster Liebfrauen.
    Dort, an der Zeil, mitten in Frankfurt, entdeckte er sein Charisma. »Ich bin narzisstisch, mag Applaus, bin ein großer Egoist und überhaupt nicht demütig«, sagt er und zitiert den Apostel, dessen Namen er angenommen hat: »Paulus stand auf dem Marktplatz und sprach alle an.« Mitbrüder klebten diesen Satz an die Tür seiner Kammer, eher als Kritik. Ulrich Fischer hingegen, der in Frankfurt bei der katholischen Kirche für Öffentlichkeitsarbeit zuständig war, entdeckte in diesem Wesenszug ein Alleinstellungsmerkmal, das doppelt wirken könnte: im Dienste der Person, aber auch der Institution und ihrer Anliegen. Indem Paulus Bibel und Bild-Zeitung , Kloster und Laptop zusammenbrachte, Welten, die angeblich nicht zusammenpassten, würde er Journalisten anlocken und damit auch Kirche und Glauben ins Gespräch bringen.
    So geschah es. Im Sommer 2000 begann Paulus, täglich eine Bild -Schlagzeile mit einem Bibelspruch zu kommentieren; vier Wochen nach der ersten hatte er im Kloster Besuch von SAT1 und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung . Jeder wollte den Mönch am Bildschirm fotografieren und ihn interviewen. Im Jahr 2002 bot N24 ihm eine Talkshow über Ethik an. Häufig ist er selbst Talkgast. Gleich zweimal saß er in Benjamin von Stuckrad-Barres intellektuellem MTV-Lesezirkel, in »Vera am Mittag« nahm er Platz neben einem Callboy. Der Drang auf die »Marktplätze« verhalf dem Kapuzinerbruder zu einer Prominenz, die wohl nur noch mit der der Benediktinermönche Anselm Grün und Notker Wolf vergleichbar ist. Besonders stolz ist Paulus auf seinen Auftritt bei Harald Schmidt: »Ich habe ihn vier Minuten zum Schweigen gebracht.«
    Eines Tages, im Januar 2001, folgte auf einen Kommentar zur Bild -Schlagzeile »Sabrina Setlur exklusiv: Jetzt spricht Boris’ Neue« die Mail einer Frau, die sich »Puck« nannte. Ein langer Mailwechsel begann. Er führte zur Konversion der Frau in die katholische Kirche und zu dem Buch: »Ich war im Wandel … du hast mir gemailt«. »Puck« beschreibt darin die Vorzüge der Mail-Seelsorge: Sie wollte sich mit ihren Nöten nur einem Fremden anvertrauen. Paulus war für sie der Richtige: Durch seine Kommentare zu den Schlagzeilen und durch sein Internetfoto gewann sie den Eindruck: Der ist »ansprechbar, belastbar und pragmatisch«. Der ist wie »ein Bruder zum Pferdestehlen, mit mir vertrautem münsterländischem Stallgeruch und guter Bodenhaftung«. Ein Seelsorger, der diese Mischung aus fremd und vertraut bot und sozusagen elektronisch auf Distanz blieb, war für »Puck« der Schlüssel, sich zu öffnen.
    Paulus erfasst rasch, kann sich einfühlen, bringt auf den Punkt und richtet sich jeweils auf die Zielgruppen ein. In seinem aktuellen Buch »Ich bleib dann mal da« offeriert er ein grundsätzliches Plädoyer für das Katholische in der Gesellschaft. Diejenigen hingegen, die allenfalls im Vorbeihuschen für den Glauben zu

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