Meine Wut rettet mich
oder denen man nicht trauen könne, seien mitverantwortlich, wenn die Wirtschaft nicht funktioniere. Eine Gesellschaft, die Kinder nicht zu Kreativität und Solidarität erziehe oder junge Männer nicht zu einer Askese der Blicke anhalte, werde deutliche Konsequenzen spüren. Wer sich selbst erlaube, fast triebhaft in jeden Ausschnitt zu schielen, oder wer gierig nach mehr und noch mehr für sich greife, der schade anderen, vor allem aber schade er sich selbst. Denn wer sich so verhalte, nähre ein plagendes Gefühl nagender Unzufriedenheit und Gier in sich.
Der Kapuziner hält Wohlstandswahn und Konsumzwang für die Wurzeln vielen Übels, ein Besitzstreben als Nachweis eigener Schaffenskraft hingegen für natürlich. An dem Punkt ringe er immer wieder mit sich selbst, gibt er zu. Denn alles, was er erwirtschaftet, gehört dem Orden. Auch Vortragshonorare fließen auf das Konto der Kapuziner. Eigentum ist verboten, ein Taschengeld von 150 Euro muss genügen. Davon kauft er sich mal einen Krimi seiner Lieblingsautorin Donna Leon, mal eine Kinokarte und gerne ein besonders gutes Essen. »Mehr brauche ich eigentlich auch nicht. Ich habe alles, was ich mir wünsche: Ich bin ein armer Kapuziner, weil ich arm sein will und frei im Glauben.« Auch das ist Reichtum.
GESPRÄCH
»Ich werbe für den Glauben, nicht für die Kirche.«
Karin Berneburg, Frankfurt a.M.
Vorbilder
Vor mir
Auf dem Boden liegt
Ein Spiegel
Vor mir
An der Wand hängen
Bilder
Johannes XXIII.
Mutter Teresa
Don Bosco
Franziskus
Das Kreuz
Werde ich
Den Spiegel jemals an
Die Wand hängen
Können d
Bernd Terwitte
Die Deutsche Kapuzinerprovinz 44 lebt mit gegenwärtig 140 Brüdern in 18 Niederlassungen; Sie leiten als Guardian das Kapuzinerkloster Liebfrauen in Frankfurt. Ihr Orden wird nicht umhinkommen, schon bald einige seiner Niederlassungen zu schließen. Gäbe es keine Klöster mehr, welche Art zu leben würden Sie wählen?
Ich habe ja kein Kloster gewählt, ich habe Gott gewählt. Wir sind Minderbrüder und ziehen von unseren Niederlassungen irgendwann weiter. Gäbe es solche Niederlassungen nicht mehr, dann würde ich mit mehreren Brüdern eben in einer Wohnung wohnen und dort mein Ordensleben leben. Wir haben so zum Beispiel in Gera gewohnt – zu dritt in einer Wohnung und unter einem Dach mit mehrfach Zwangsgeräumten. Dort haben wir das Evangelium gelebt, gebetet, meditiert, Messe gefeiert am Wohnzimmertisch. Ich habe Gott gewählt, das bindet mich an keinen Ort.
Und nähme man Ihnen die Aufgaben, denen Sie sich gerade widmen – als Guardian, Seelsorger, Talkmaster, Buchautor?
Ach, ich hatte schon tausend Aufgaben. Ich war Sozialarbeiter, gerichtlich bestellter Betreuer, arbeitete in der Hospizausbildung, der Supervision für Kinderheimerzieherinnen in Gera, leitete eine Klosterküche und lernte dort das Backen, war Hausoberer, verantwortlich für die Nachwuchssuche im Orden, und leite jetzt die Niederlassung und den Franziskustreff – eine Einrichtung für arme und obdachlose Menschen hier in Frankfurt … – Ich habe schon sehr vieles gemacht und bin gespannt, was noch folgt. Aber mir kommt es nicht auf das Machen an, sondern auf das Sein: Ich bin ein armer Kapuziner, weil ich arm sein will wie Jesus von Nazaret. Und das kann mir keiner nehmen.
Sie fühlen sich also an keine bestimmten Tätigkeiten und Funktionen gebunden?
Die Entscheidung für ein Leben wie das, das ich führen will, ist keine Entscheidung für einen Beruf. Es ist eine Entscheidung, die man eher mit einer Heirat vergleichen kann. Sie wählen eine Frau. Irgendwann gehen Sie mit ihr vielleicht nach Südafrika, weil sie dort Korrespondentin wird, oder anderswohin. Wenn Liebe da ist, dann ist das Herz erfüllt. Man nimmt einfach die Aufgaben, die einem entgegenkommen, freiwillig und in Freiheit.
„ Jesus ist meine Freiheit. ”
Was heißt für Sie Liebe?
Liebe heißt sich opfern, das heißt: Ich wähle dich als den Ort aus, an dem ich meine Freiheit finde. Ich binde mich an dich, weil du mir der Schlüssel für meine Freiheit bist. Für mich ist Jesus meine Freiheit, das habe ich im Glauben erfahren.
Sie erzählen immer wieder von einem Schlüsselereignis im Oktober 1976. Sie waren 17 Jahre alt und übers Wochenende bei einem kirchlichen Seminar in der Landvolkshochschule Freckenhorst. Als der Priester über die Taufe sprach, war für sie die Welt plötzlich in einem anderen Licht.
In dem Moment, als er sagte, was alle Priester dieser Welt erklären: »Taufe
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