Meine zwei Halbzeiten
würde. Letztlich waren das alles Ausflüchte.
Es war mein Ehrgeiz, der so groß war, dass ich meine inneren Widerstände überwand.
Um ein vollwertiger Genosse zu werden, musste man zuerst einen «Antrag als Kandidat der SED» stellen – ich tat das im August
1975. Wurde der wie in meinem Fall nach zwei Monaten genehmigt, musste man eine Frist von einem Jahr überstehen, in der man als
«Kandidat auf Probe» getestet wurde. Als solcher benötigte man zwei Bürgen, einen aus dem privaten sowie einen weiteren aus
dem beruflichen Umfeld. (Dies war ebenso notwendig, wenn man als Spieler oder Trainer ins kapitalistische Ausland fuhr.) Bestimmt
wurden die Bürgen von der Partei. Wen man bei mir ausgewählt hatte, kann ich nur ahnen. Infrage kamen meiner Meinung nach
drei Personen: Werner Lempert, der Generalsekretär des Fußball-Verbands, Rudolf Röhrer, mein Nachbar in der Bruno-Plache-Straße
und Chefredakteur der
Leipziger Volkszeitung
, sowie Hugo Döbler, der inzwischen als Cheftrainer des DD R-Fußball -Verbandes arbeitete. Wer es letztlich war, habe ich aber nie in Erfahrung bringen können.
Nach einer guten Zeit bei der zweiten Mannschaft des HFC sollte ich 1976 Cheftrainer der ersten Mannschaft werden. Obwohl Werner Felfe, Erster Parteisekretär in Halle, großes Interesse an den |95| Tag legte, dass ich bei diesem Club blieb, musste es innerhalb der Partei zu einem Gerangel gekommen sein. Jedenfalls bestellte
man mich zu einem Kadergespräch nach Babelsberg. Auf dem Gelände des SV Babelsberg angekommen, wurde ich in den Nebenraum
der hiesigen Vereinsgaststätte gebeten. Niemand hatte mir bisher einen Grund für das Gespräch genannt, und sosehr ich auf
der Hinfahrt auch überlegte, ich hatte keine Idee, was man von mir wollte.
Als ich das Zimmer betrat, merkte ich sofort, dass etwas Außergewöhnliches besprochen werden sollte. Die Atmosphäre war eher
ernst, fast feierlich. Unmittelbar nach der Begrüßung teilte mir Werner Lempert mit: «Die zuständigen Gremien haben beschlossen,
dass du zu uns zum Verband kommst und Jugendauswahltrainer wirst.»
«Aber ich bin doch in Halle», stammelte ich. Eine bessere Antwort fiel mir nicht ein. Mit einem solchen Angebot hatte ich
nicht gerechnet, dabei war schon alles abgesprochen.
Der Generalsekretär des Fußball-Verbands eröffnete mir zudem, dass ich als Trainer der U18 auch Qualifikationsspiele im westlichen
Ausland absolvieren würde. Ich war sprachlos. Mir hätte es damals völlig gereicht, in Halle die erste Mannschaft zu trainieren
und später die Aussicht auf einen Job bei einem Spitzenverein zu haben. Die von den Funktionären beschlossene Delegierung
ging weit über meine Erwartungen hinaus. Hatte sie allein mit meinen Leistungen zu tun oder verdankte ich diesen Aufstieg
meinem Status als Parteianwärter? Ganz wohl war mir nicht bei diesem Gedanken.
«Genosse, das mit Halle überlass mal uns. Gibt’s sonst noch etwas, was du wissen musst?»
«Muss ich dafür nach Berlin ziehen?»
«Nein, du kannst in Leipzig wohnen bleiben, hast aber öfter in Berlin zu sein.» Wohl um das Ganze ein wenig aufzulockern,
fügte er hinzu: «Was macht eigentlich deine Frau?» Diese Frage war nicht minder überraschend für mich.
|96| «Sie ist in einem Jugendcamp und bildet dort zukünftige Schwimmer aus. Aber ich will es nicht verheimlichen, meine Ehe läuft
gerade nicht gut.»
Augenblicklich herrschte Stille im Saal, ich blickte überall in betretene Gesichter. Nach einer Weile bat man mich, den Raum
zu verlassen. Sie hatten also nicht gewusst, überlegte ich beim Rausgehen, dass Harriet und ich in Schwierigkeiten steckten.
Würden sie es sich jetzt noch einmal anders überlegen? Ungeordnete Familienverhältnisse waren eigentlich ein Hinderungsgrund
für Reisen in den Westen.
Nach zehn Minuten großer Unsicherheit wurde ich wieder in das Zimmer hineingerufen.
«Fahre sofort zu deiner Frau und kläre das mit deiner Ehe. Nächsten Montag trittst du an.» Die Äußerung von Werner Lempert
bedeutete im Klartext: Du wirst jetzt Cheftrainer der Jugendauswahl, und dadurch ist in eurer Beziehung wieder alles okay.
So einfach machte man es sich. Im Auftrag der Partei hatte das Ehepaar Berger bestimmte Konsequenzen für sein Privatleben
zu ziehen.
Tatsächlich setzte ich mich noch am selben Tag in meinen Trabi und fuhr zur Saale-Talsperre, wo Harriet mit dem Schwimmnachwuchs
trainierte. Ron war bei ihr. Ich
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