Meine zwei Halbzeiten
erzählte ihr von meiner neuen Aufgabe, ebenso verschwieg ich ihr nicht, was man mir hinsichtlich
unserer Ehe aufgetragen hatte.
Sie sah das völlig entspannt: «Wir lassen es einfach weiterlaufen wie bisher.»
Ich konnte das nicht so locker sehen. Zum ersten Mal hatte ich erlebt, dass die Partei Einfluss auf meine Privatsphäre nahm.
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Zum Lügen gezwungen
|98| Die Spieler der Jugendauswahl – sie waren eine besondere Spezies. Bei meinem ersten Auswärtsspiel mit den Siebzehn-, Achtzehnjährigen
– wir flogen nach Bulgarien – gab es eine Gruppe von Berlinern, die im Flieger nicht nur die angebotene rote Limonade tranken,
auch Leninschweiß genannt, sondern auch einen Cognac und dazu Zigaretten rauchten. Ich registrierte das, sagte aber vor versammelter
Mannschaft nichts, sondern holte die drei jungen Männer später im Hotel zu mir aufs Zimmer. Als ich sie auf ihr Verhalten
in der bulgarischen Maschine ansprach, sagte einer von ihnen: «Ja, Trainer, ick bin det erste Mal jeflogen, ick dachte, det
muss man annehm. Die Stewardessen haben uns det direkt uffjezwungen.» Innerlich musste ich schmunzeln, erkannte ich mich doch
bei dieser Argumentation auf fast erschreckende Weise selbst wieder. Deshalb sagte ich nur: «Okay, das nächste Mal wisst ihr
es.»
Als Trainer musste ich aber auch bestimmte Dinge machen, mit denen ich persönlich nicht so ganz einverstanden war. Beispiel:
Zimmerkontrolle. Wenn wir in einem Trainingslager waren, übernachteten wir oft in Bungalows. Natürlich verstand sich von selbst,
dass in den Räumen der Spieler eine gewisse Ordnung zu herrschen hatte. Eigentlich akzeptierte ich diesen Bereich als Privatsphäre
und mied ihn möglichst, aber ab und zu musste ich in das eine oder andere Zimmer schauen, um das Chaos in Grenzen zu halten.
Dazu wandte ich eine sehr erfolgreiche Methode an: Mit einem Besen, den ich mir ausgeliehen hatte, schob ich alle herumliegenden
Sachen in eine Ecke. Und wenn diese Methode nicht zog, fegte ich den aufgehäuften Berg von der Terrasse auf die Wiese hinunter.
Die Spieler konnten sich ihre Sachen anschließend wieder einzeln zusammensuchen. Mehr als ein-, zweimal taten sie sich diese
Prozedur nicht an.
Nach einem Länderspiel in Bratislava wollte ich spätabends, es war schon gegen Mitternacht, mit meinem Co-Trainer Werner Basel
und unserem Masseur in eine Bar gehen. Als wir am Eingang |99| standen, blickte ich zu den Hotelzimmern hoch. In der fünften Etage brannte noch Licht. Ich war mir sicher, dass dort unsere
Spieler wohnten. Also sagte ich dem Masseur: «Geh doch bitte nochmal hoch und sieh nach, was da los ist. Wir warten auf dich.»
Da in drei Tagen das nächste Pflichtspiel stattfinden würde, hatte ich dafür zu sorgen, dass die Nacht nicht zum Tag wurde.
Gerade als ich dachte, dass der Masseur eigentlich das Zimmer erreicht haben musste, ging das Licht aus. Irgendwie hatte ich
eine Ahnung, dass damit die Geschichte noch nicht zu Ende war. Ich blickte weiter konzentriert nach oben. Mein Gefühl hatte
mich nicht getäuscht. In der sternenklaren Nacht konnten Basel und ich plötzlich erkennen, wie auf dem Balkon des Zimmers
im fünften Stock – eher ein kleiner, versteckter Vorbau – eine Person waghalsig herumkletterte, um zum Nebenraum zu gelangen.
Sie schien eine Art Nachthemd zu tragen, dessen weiße Farbe in der Dunkelheit gut hervorstach. Seltsam, trugen die Spieler
nicht eher Schlafanzüge oder wie jetzt im Sommer höchstens Shorts? Handelte es sich etwa um Damenbesuch? Nein, das konnte
ich mir nicht vorstellen. Keine Frau würde zu dieser Uhrzeit eine solch gefährliche Kletterpartie unternehmen.
Kurz darauf trat der Masseur wieder zu uns. «Es ist alles in Ordnung», berichtete er Werner und mir.
«Wirklich?», fragte ich nach.
«Erst dachte ich, die spielten Skat.»
«Wie kommst du darauf?»
«Ich hörte, wie die achtzehn, zwanzig sagten.»
«Warst du drin im Zimmer?»
«Ja.» Nach einer Pause sagte er: «Die können nicht Skat gespielt haben. Dazu braucht man drei Leute, und in dem Zimmer waren
nur zwei.»
Natürlich hatten sie Karten gespielt, der dritte Mann kam aus dem Nebenzimmer und war gerade dem «Abgrund» entkommen. Obwohl
ich kein Gesicht hatte ausmachen können, hegte ich einen |100| Verdacht, wer derart mutig von einem Balkon zum nächsten gestiegen war. Das konnte nur einer von den Berlinern gewesen sein,
mein Mittelstürmer. Nachdem wir uns auf den Weg in
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