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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sie noch ein paar Mal an der Universität. Sie ging mir nicht direkt aus dem Weg, nur hatte sie auch nie Zeit für eine kleine Unterhaltung. Sie war vollauf damit beschäftigt, sich auf das zu konzentrieren, was sie ursprünglich gewollt hatte: aus eigener Kraft das Ziel zu erreichen, das ihr durch die Heirat mit mir in den Schoß gefallen wäre. Für Greta Brand hätte es keine Rolle gespielt, ob sie mit Bravour oder mit Ach und Krach durchs zweite Staatsexamen gekommen wäre. Greta Baresi dagegen musste etwas vorweisen. Und sie schaffte es. Sie schaffte sogar den Eintritt in die Kanzlei Brand und damit den Zutritt zur höheren Gesellschaft. Meine Eltern hatten unsere Trennung mit unbewegten Mienen zur Kenntnis genommen und lange darauf gehofft, dass ich zur Vernunft käme. Diese Hoffnung hatten sie in der Zwischenzeit aufgegeben. Meine Mutter bemühte sich sogar, ein wenig Verständnis für meine Gefühle zu entwickeln. Hin und wieder erlaubte sie sich allerdings den dezenten Hinweis, dass ich einer Utopie nachjagte.
    «Niklas, diese Frau will doch absolut nichts mit dir zu tun haben. Wann begreifst du das endlich?»
    Ich wollte es nicht begreifen. Ich weiß, es klingt schäbig, aber im ersten Jahr nach unserer Trennung hoffte ich tatsächlich auf Gretas Einfluss, auf den Tag, an dem sie Tess klarmachte, wir seien als Freunde auseinander gegangen. Im Prinzip waren wir das, keine Tränen, keine hässliche Szene, kein Flehen. Ich hoffte auch, dass meine Eltern sich irgendwann für Tess ebenso begeisterten wie für Greta. Mein Vater war davon weit entfernt, sah es jedoch pragmatisch. Ich hatte ihm mit meinen Gefühlen einen Strich durch seine Rechnung gemacht, der Kanzlei eine ehrgeizige Schwiegertochter zuzuführen. Nun bestand er darauf, dass ich die Sache bereinigte. Er wollte zumindest die ehrgeizige Rechtsanwältin. Als ich mit seinem Anliegen bei Greta auftauchte, war ich fest überzeugt, dass sie mich hinauswarf. Aber anscheinend freute sie sich, weil mit der Anstellung in der Kanzlei meines Vaters immerhin einer ihrer Träume in Erfüllung ging. Sie hatte sich nicht verändert, war immer noch fünfzig Kilogramm reine Energie, hundertsechsundfünfzig Zentimeter Kraft und Unbeugsamkeit, gekrönt von dieser Löwenmähne. Eine andere Frisur hätte gar nicht zu ihr gepasst. Ob sie überrascht war oder sich geschmeichelt fühlte, ließ sie nicht erkennen. Sie akzeptierte unser Angebot unter der Bedingung, dass wir ihr genügend Raum für Strafrecht ließen. Auch den bald folgenden privaten Einladungen kam sie gerne nach. Meine Eltern gaben sich Mühe, durch die Hintertür eine Versöhnung herbeizuführen. Greta war jederzeit ein willkommener Gast und nutzte jede Gelegenheit, wichtige Leute kennen zu lernen. Nur an einer Bindung war sie nicht mehr interessiert. Sie nahm die erste eigene Wohnung. Es war nicht ganz das, was ihr vorschwebte, stellte auch nur eine Übergangslösung dar. Die zweite Wohnung kam ihrer Vorstellung schon etwas näher, die dritte war genau nach ihrem Geschmack. Es gab zwar keinen Park mit gepflegtem Rasen und schönem, altem Baumbestand, nur eine Dachterrasse mit Ausblick auf den Rhein. Aber es wäre ja auch mit mir nur das Dachgeschoss einer Villa gewesen. Das Bad ließ sie auf ihre Kosten umbauen. Eine runde Wanne!
    «Ich weiß, es ist kindisch», sagte sie, als sie mir davon erzählte.
    «Vielleicht musste ich mir nur selbst etwas beweisen.»
    Wenn ich tagsüber in der Kanzlei mit ihr zusammen war, fragte ich mich häufig, was in ihr vorging. Sie wirkte stets ruhig und ausgeglichen, nicht einmal sonderlich distanziert. Sie ging mit mir um wie mit jedem anderen Kollegen, als hätte es niemals diese beiden Jahre und private Pläne gegeben. Ich tat mich erheblich schwerer, nicht nur, weil Tess mir absolut keinen Raum für Hoffnungen ließ. Es war wohl viel mehr die Erinnerung an gemeinsame Stunden, Tage und Nächte mit Greta. Sie wieder jeden Tag in unmittelbarer Nähe zu haben – ich wusste noch so gut, wie sie sich anfühlte, sah noch ihren verträumten Blick vor mir, wenn ich ihr die Brille abgenommen und sie mich angeschaut hatte. Es mochte hundertmal nur eine Folge der Kurzsichtigkeit sein, für mich war es Sinnlichkeit gewesen. Ich vermisste sie, auch wenn ich mir das nicht eingestehen wollte. Sie hatte vor mir keinen Mann gehabt. Und nach mir – sie sprach ganz offen darüber. Ein paar kleine Affären, die sie als Windeier bezeichnete. Einige hätten sich benommen wie Pfadfinder, als

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