Meineid
konnte man von dir nie behaupten, und ich liebe Überraschungen.»
«Hoffentlich gibt es nicht eines Tages eine böse», sagte ich. Tess lachte erneut.
«Lieb von dir, dass du dir Sorgen machst. Falls er irgendwann mit dem Messer auf mich losgeht, wirst du der Erste sein, der es erfährt, das verspreche ich dir. Vielleicht sollte ich mir für den Notfall ein Tonband vorbereiten. Ich meine, falls der erste Stich in den Kehlkopf geht und ich nicht mehr dazu käme, es dir zu sagen.»
Geglaubt hat sie mir kein Wort.
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« Anfang Mai stürzte Jan sich in Schulden, nahm eine hohe Hypothek auf und kaufte ein Haus in Lindenthal. Sie bestellten das Aufgebot, erkundigten sich, ob wir als Trauzeugen fungieren wollten. Ich sehe das noch vor mir, als wäre es gestern gewesen. Wir saßen in Gretas Wohnung, Jan und Tess auf der Couch. Er hatte einen Arm um ihre Schultern gelegt, sie lächelten sich an, wie sich das für ein verliebtes Paar gehört. Jan wirkte gelöst wie ein Mann, der voll Optimismus in die Zukunft schaut. Nur wenn sein Blick auf Greta traf, wurde er skeptisch. Sie kauerte auf der Kante eines Sessels wie ein zum Sprung bereites Tier und sprach kaum ein Wort. Mehrfach nickte sie, als gäbe sie Tess auf diese Weise ihre Zustimmung. Auch Tess beobachtete sie irritiert. Hin und wieder schaute sie mich an, gab mit Stirnrunzeln und Achselzucken zu verstehen, dass sie nicht wusste, was mit Greta los war, dass sie es aber gerne erfahren würde. Als Greta das Zimmer einmal für ein paar Minuten verließ, meinte sie:
«Habt ihr gestritten? Ich finde, hier herrscht ziemlich dicke Luft.»
Ich nickte nur, damit gab Tess sich zufrieden. Sie hatte wohl auch Wichtigeres im Kopf, als sich Gedanken zu machen über die Gründe für Gretas scheinbar schlechte Laune. Sie plante eine Hochzeit, die einer Fürstin zur Ehre gereicht hätte, und machte die ersten Abstriche, weil ihre Eltern den Größenwahn nicht finanzieren konnten, ihr Bruder sich weigerte und Jan es lieber still und bescheiden wollte. Es wurde eine sehr kleine Feier, im Juni vor zwei Jahren die Familie Damner, das Brautpaar und wir als Trauzeugen. Dass Gretas Hand nicht zitterte, als sie die Urkunde unterschrieb, lag nur an den beiden Valium, die ich ihr aufgenötigt hatte. Es war das erste Mal, dass sie solch ein Mittel einnahm, danach tat sie es häufiger. Schon sehr früh am Abend schlug ich vor, uns zu verabschieden. Ich wollte mit Greta zu meiner Wohnung fahren, sie weigerte sich. Also fuhren wir zu ihr. Da saßen wir dann auf der Couch. Ins Bett gehen mochte sie nicht.
«Ich kann nicht. Wenn ich nur daran denke, sehe ich ihr Schlafzimmer.»
Tess hatte das Haus eingerichtet, sich mit Wonne auf Jans Rücklagen gestürzt und ihrem Ideenreichtum freien Lauf gelassen. Sie hatte einen erlesenen Geschmack, ein Innenarchitekt hätte es nicht besser gekonnt. Das große Wohnzimmer war in Weiß und Hellgrau gehalten. Mandy zum Trotz, die mit ihren fünfzehn Monaten noch ein bisschen unsicher auf den Beinen und grundsätzlich mit einem Schokoladenkeks bewaffnet war. Über der Couch hing ein abstraktes Ölgemälde in schlichtem Rahmen, das sich harmonisch ins Ganze einfügte. Das Hochzeitsgeschenk eines ungenannten Gönners. Mandys Vater, wie Tess mir zwei Tage vor der Hochzeit anvertraut hatte. Ich wusste nicht, was ich von dieser Behauptung halten sollte. Mir erschien es äußerst widersprüchlich, dass ein Mann wie ein Tier über seine ehemalige Geliebte herfiel und sie dann mit einem überaus großzügigen Präsent bedachte. Andererseits war sonst niemand in Sicht, der ein so teures Geschenk hätte machen können. Es schien auch, als habe er seinen Willen bekommen. Tess sagte:
«Im Gegenzug habe ich ihm seine Erklärung zurückgegeben. Er hat versprochen, freiwillig zu zahlen. Wenn er das nicht tut – ich habe eine Kopie. Er soll sich nur nicht zu sicher fühlen, sonst werde ich es ihm zeigen.»
Und Jan wollte sie zeigen, was sie sich unter einem erfüllten Eheleben vorstellte. Das Schlafzimmer balancierte auf einem schmalen Grat zwischen nächtlicher Bequemlichkeit und sinnlichem Versprechen. Natürlich hatten wir uns alles ansehen müssen, Greta sogar dreimal. Und dann sah sie es eben vor sich. Jans Hochzeitsnacht! Auf dem Weg zu ihrer Wohnung erzählte sie mir
unentwegt, dass sie sich jetzt nicht benehmen dürfe wie ein trotziges Kind, das seinen Willen nicht bekommen hatte. Jeder Mensch habe das Recht, einen Partner oder eine Partnerin nach seinem
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