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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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noch einen weiteren Unterschied: Wenn Tess es beschrieb, klang es in keiner Weise abstoßend. Sie schmückte aus, schilderte mehr die inneren als die äußeren Vorgänge. Todesangst statt gebrochener Knochen oder blindwütiger Prügel. Die Emotionen des Mörders, seine Beweggründe und seine Persönlichkeit standen im Vordergrund. Und das, was ihn antrieb, wurde menschlich und verständlich. Bei ihrer Phantasie hätte sie selbst schreiben sollen. Doch das wäre Arbeit gewesen, schnell zur Gewohnheit und Pflicht geworden. Tess begnügte sich damit, Jans Arbeit zu beeinflussen, soweit er das zuließ. An seinen Drehbüchern war sie nicht interessiert – Drehbuchautoren werden selten berühmt. Was dagegen den Roman betraf, schien sie ehrlich bemüht, ihn aus festgefahrenen Gleisen zu zerren und sein vermeintlich angeschlagenes Selbstbewusstsein zu stabilisieren. Gräuelmärchen erzählte sie keine mehr. Mandys Vater mit all seiner Macht über Leben und Tod verschwand in der Versenkung. Um die eheliche Routine aufzulockern und Jan nicht bei der Drehbucharbeit zu stören, reichten Tess ein paar außerhäusliche Aktivitäten. Vormittags besuchte sie ihre Eltern oder irgendwelche Leute, die sie in den diversen Kursen kennen gelernt hatte. Nachmittags war sie unterwegs, entweder in irgendeinem Seminar oder im Fitnessstudio. Jan kümmerte sich in der Zeit um Mandy und schien vollauf zufrieden mit seiner Rolle als Babysitter. Er behauptete stets, wenn Mandy neben seinem Schreibtisch spiele, könne er sich besser konzentrieren. Abends ging Tess darin auf, ihren Haushalt und ihr Kind zu versorgen. Und nachts – von Zeit zu Zeit kam noch ein dezenter Hinweis auf Jans Einfallslosigkeit im Ehebett. Doch Tess benahm sich, als bewältigte sie das harte Stück Arbeit mühelos und würde auch sonst in allen – sprich finanziellen – Punkten zufrieden gestellt. Ein großer Einkaufsbummel pro Woche war in den ersten Monaten an der Tagesordnung. Meist erschien sie danach bei Greta und breitete ihre Neuerwerbungen aus. Dass Jan sie nicht derart reichlich mit Bargeld oder Kreditkarten ausstatten konnte, lag auf der Hand. Das Haus und die Einrichtung hatten seine Reserven völlig aufgezehrt. Er verdiente gut, doch dass er das Finanzamt, die Hypothekenbank, diverse Versicherungsgesellschaften und Tess zufrieden stellen konnte, bezweifelte ich. Was aus den hohen Unterhaltszahlungen für Mandy wurde, erfuhren wir nicht. Da mussten wir nach dem äußeren Anschein urteilen. Das Bild zur Hochzeit, zusätzlich vielleicht eine hohe Abfindung. Oder Mandys Vater hielt in den ersten Monaten sein Versprechen und zahlte. Dann versiegte die Quelle anscheinend. Bis dahin hatte Tess einmal scherzhaft erklärt, Jans Vorfahren müssten aus Schottland stammen. Nun hieß es konkret Geiz und Pfennigfuchserei. Sie regte sich auf über Männer, die mit ihrem Hintern auf dem Geldsack saßen und freiwillig keinen Pfennig mehr als unbedingt nötig herausrückten. Da Tess im Plural sprach, konnte das nicht ausschließlich an Jans Adresse gehen. Es klang nach dem, was ich vorhergesehen hatte. Mandys Vater hatte seine Erklärung zurückbekommen und fühlte sich sicher. Das durfte er auch. Selbst wenn Tess hundert Kopien von der Vaterschaftserklärung besäße, ihn damit zu erpressen, durfte sie nicht wagen nach den Erfahrungen, die sie zum Jahresbeginn gemacht hatte. Sie war angewiesen auf das, was Jan ihr für die Haushaltsführung zubilligte. Das reichte ihr nicht. Sie fühlte sich betrogen. Auch das Fitnessstudio, der Tennisclub oder ein Kursus über transzendentale Metamorphose kosteten Geld. Und Jan wollte nicht einsehen, dass so etwas lebensnotwendig sein sollte. Greta sah es auch nicht ein.

    «Was willst du mit dem Unsinn? Tu doch etwas Vernünftiges!»

    «Du redest schon wie mein Bruder, murrte Tess. Also war Greta nicht die Einzige, die ihr begreiflich machen wollte, dass man Geld nicht zum Fenster hinauswerfen konnte. Bestimmt nicht, wenn andere es verdienen mussten. * Wenn Greta von ihren abendlichen Besuchen in Lindenthal zurückkam und berichtete, was sie anfangs noch regelmäßig tat, stand Tess nicht eben strahlend da. Mehr und mehr wandelte mein exotischer Falter sich zur Xanthippe, ließ ihren Frust an dem armen Jan aus, lästerte, stichelte, ließ sich keine Gelegenheit für kleine Seitenhiebe entgehen, setzte ihn zunehmend unter Druck. Um keinen Preis der Welt war Greta bereit, in Betracht zu ziehen, dass Tess unter anderen Dingen leiden könne

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