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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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dienstags in sein Arbeitszimmer verkrümeln. Wenn sie sonst nichts tun, warum schließen sie dann die Tür ab?»
    Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Tess war auch noch nicht fertig.

    «Ich wollte dir das eigentlich gar nicht sagen, fuhr sie fort.

    «Aber normalerweise spricht Jan, wenn er an einem Text arbeitet. Und wenn Greta bei ihm ist, höre ich kein Wort, nur …»

    «Was nur?, fragte ich, als sie abbrach. Darauf bekam ich keine Antwort mehr, Tess hatte offenbar mitten im Satz aufgelegt. Es erschien plötzlich alles in einem anderen Licht, Gretas penetrantes Beharren auf Jans Harmlosigkeit – wer mit einem Mann schläft, ist auf seiner Seite. Ich wollte es nicht glauben, mir auch nicht vorstellen, aber ich sah es vor mir – in allen Variationen, und ich glaubte, daran zu ersticken. Kurz nach dem Gespräch verließ ich die Kanzlei, ohne auch nur den Versuch einer Versöhnung unternommen zu haben. Nach dem, was ich von Tess gehört hatte, wäre ich zu einer Entschuldigung kaum noch in der Lage gewesen. Viel eher hätte ich Greta geschüttelt, so lange geschüttelt, bis ich jedes Gefühl für ihn aus ihr herausgeschüttelt hatte. Hätte ich sie zur Rede gestellt in diesem Augenblick, es wäre alles ganz anders gekommen. Aber ich wollte erst mit ihr über ihre Affäre mit Jan sprechen, wenn ich mir sicher war, dass ich dabei nicht die Beherrschung verlor. Greta war ruhig und beherrscht, das hörte ich, als ich den Vorraum durchquerte. Mit der Stimme, die ich in all den Jahren von ihr kannte, sprach sie ins Diktiergerät. Und das nach unserem furchtbaren Streit, nach den Beleidigungen, die ich ihr an den Kopf geworfen hatte. Aber ein Mensch, den man nicht liebt, kann einen nicht verletzen. Ihre Stimme war mir in dem Moment Antwort genug und der Beweis, dass Tess mit ihrer Vermutung richtig lag.
    .
    « Den Nachmittag brachte ich weder mit Anstand noch mit Würde hinter mich. Als ich heimkam, hatte meine Mutter Besuch. Hella Abeler saß bei ihr. Mutter nötigte mich zu einer Stunde freundlichem Geplänkel. Worüber wir uns unterhielten, könnte ich beim besten Willen nicht sagen. Ich stand vor einem Berg. Ich kannte Tess und ihren Hang zu Übertreibungen oder freier Erfindung. Aber dass sie sich die verschlossene Tür und irgendwelche Geräusche dahinter aus den Fingern gesogen hatte, war schwer vorstellbar. Was anderes als eindeutige Geräusche sollte sie mit ihrem

    «nur»
    gemeint haben? Stöhnen, Keuchen, etwas in der Art. Und welche Veranlassung hätte sie haben sollen, einen solchen Stachel in mein Fleisch zu treiben, wo ich nur eine Tür weitergehen musste, um Greta zur Rede zu stellen. Hätte ich es nur getan. Wir hätten uns anbrüllen, mit Akten bewerfen, uns gegenseitig die Köpfe einschlagen können. Niemand hätte uns dabei gestört. Die Sekretärinnen und Schreibkräfte machten freitags schon kurz nach Mittag Feierabend, um Überstunden der Woche auszugleichen. Und wenn es aus der Luft gegriffen, wenn es nur ein widerlicher Scherz gewesen war, Greta hätte doch keinen Moment gezögert, das klarzustellen. Wir wären vermutlich schon eine halbe Stunde später in Lindenthal gewesen, um reinen Tisch zu machen. Hella Abeler erzählte meiner Mutter von der Vertrautheit nach langen Ehejahren, da wisse man immer, was der andere dachte. Und ich dachte: Greta und Jan! Ich kannte ihre Besessenheit für ihn zur Genüge. Wenn er ihr auch nur den Hauch einer Chance geboten hatte, sie hätte danach gegriffen, da war ich absolut sicher. Eigene Erinnerungen vermischten sich mit Befürchtungen. Ich sah die unzähligen intimen Momente vor mir, die ich mit ihr erlebt hatte. Und die Vorstellung, dass Jan nun an meiner Stelle wäre, brachte mich fast um den Verstand. Ich konnte Greta nicht hergeben, um keinen Preis der Welt. Es heißt nicht umsonst, dass jeder Mensch fähig ist zu töten, dass es nur auf die Situation ankommt. Ich wusste, dass ich es konnte. Ich musste mir nur vorstellen, dass Jan seine Hände nach ihr ausstreckte! Und das tat ich unentwegt. Nachdem Hella Abeler sich verabschiedet hatte, saß ich noch eine Weile mit meiner Mutter allein zusammen. Meinen Streit mit Greta oder das Telefongespräch mit Tess erwähnte ich mit keiner Silbe. Trotzdem mutmaßte meine Mutter, dass es gekracht hatte – wieder einmal. Dass es in letzter Zeit häufig krachte, war meinen Eltern nicht entgangen. Wir trugen zwar unsere Meinungsverschiedenheiten nicht vor anderen aus, aber wenn ein achtunddreißigjähriger

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