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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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zähe, weiße Masse die gereizte Haut beruhigen. Zur Entspannung nahm sie ein Valium, dann schlüpfte sie in einen bequemen Badeanzug. Ein hässliches, altes Ding. Sie hatte sich schon oft vorgenommen, ihn in den Müll zu werfen, aber sie konnte sich nicht davon trennen. Er hatte gegenüber all den neuen und schicken den Vorzug, dass sie ihn kaum auf der Haut spürte. Das noch feuchte Haar im Nacken mit einer Spange zusammengehalten, legte sie sich auf die Couch – mit den vier Seiten, die ich Stunden später lesen sollte. Sie hätte sich die Szene sofort am Dienstagabend anschauen sollen. An dem Freitag war sie nicht mehr in der richtigen Verfassung. Von Luis Abeler aus dem Büro geworfen, von mir in gemeiner Weise beleidigt. Und als krönender Abschluss kam Jan mit einer weiteren Frauenleiche. Die detaillierte Beschreibung von Tess stand nicht gleich auf der ersten Seite. Und Greta konnte es einfach nicht mehr lesen, fragte sich, warum er zur Abwechslung nicht mal eine Liebesszene schrieb? Und sei es nur, um mich zu widerlegen. Es gab eine Liebesszene im Roman, jedenfalls bezeichnete Jan sie so. Er hatte sie nicht nur Greta, sondern auch mir gezeigt mit dem üblichen Grinsen, von dem ich nie genau wusste, ob es Verlegenheit oder Überheblichkeit spiegelte.

    «Schau dir das mal an. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es so lassen kann.»
    Das konnte ich ihm nicht sagen. Ich fragte mich nur, ob er in der Anfangszeit meine Gedanken gelesen hatte. Niedergeschrieben hatte er sie jedenfalls. Ein Mann ging zu einer Prostituierten, drückte ihr fünfzig Mark in die Finger und erkundigte sich höflich, ob sie sich für den Betrag ans Bett fesseln lasse oder ob er noch etwas drauflegen müsse. Er musste. Für zweihundert Mark war die Frau bereit, sich verprügeln zu lassen. Er zahlte, und dann ging es zur Sache. Aber das hatte sich noch harmlos gelesen im Vergleich mit diesem Intermezzo. Greta hörte ihn im Geist noch einmal sagen:

    «Es gibt nur diese Lösung, während sie die letzten Sätze las:

    «Bevor er die Tür des Schlafzimmers hinter sich zuzog, schaute er noch einmal zum Bett. Ihre rechte Hand war von kleinen, blauen Flammen umgeben. Sie züngelten bereits an ihrem Bein hoch, fraßen Löcher in die glatte Haut. Er schaute eine Weile zu. Dann ging er ins Wohnzimmer, setzte sich vor den Fernseher, bis der Rauch zu dicht wurde und er ins Freie flüchten musste. Als er vom Balkon sprang, fühlte er sich sehr gut …»
    Greta fühlte sich nicht gut, sah Tess vor sich. Über das Bett in ihrem traumhaften Schlafzimmer gebeugt – und das Blut auf dem Kopfkissen. Nackt neben der Wanne – die Abdrücke von Zähnen auf den Brüsten und eine Verbrennung an der Innenseite ihres Oberschenkels. Sie hörte Tess energisch protestieren gegen den Verdacht, sich wieder mit Mandys Vater getroffen zu haben. Sie hörte Tess schimpfen, nörgeln und fluchen mit schwerer Zunge. Was war in den beiden Jahren mit Tess geschehen, was war aus ihr geworden? Greta kannte sie doch so gut, wusste, wie sehr Tess es immer verachtet hatte, wenn ein Mensch sich gehen ließ, speziell eine Frau. Probleme waren da, um sich ihnen zu stellen und sie zu bewältigen. Tess hatte nie Verständnis gehabt für Leute, die bei jedem Wehwehchen zur Pille griffen. Wie oft hatte Greta von ihr gehört:

    «Valium! Greta, wie kannst du nur dieses verfluchte Zeug schlucken? Du weißt doch, wie leicht man abhängig werden kann.»
    Tess hatte jede Form von Sucht verabscheut. Tess hatte für jeden Drogentoten nur ein abfälliges Lächeln gehabt.

    «Wieder ein Schwächling weniger. Über tote Junkies kann ich mich nicht aufregen. Heutzutage weiß jedes Schulkind, was man sich mit dem Dreckszeug antut.»
    Alkohol war bei Tess jahrelang in die gleiche Kategorie wie Heroin oder Kokain gefallen. Nichts gegen einen Drink, aber Sauferei … Und Greta sah Tess auf der Terrasse, ausgestreckt auf einer Polsterliege, neben der Liege stand ein gefülltes Glas auf dem Boden. Es war nicht mehr lange gefüllt. Greta hörte ihre Stimme, träge und schleppend:

    «Sei ein liebes Mädchen, Greta, hol mir noch ein Tröpfchen. Du weißt ja, wo die Flaschen mit den hochprozentigen Sachen stehen. Ich mag nicht aufstehen. Mir tut jeder Knochen weh. Jetzt schau nicht so entsetzt aus der Wäsche. Es ist nichts passiert, überhaupt nichts. Nur das Übliche.»
    Nur das Übliche, dachte sie, legte die Seiten auf den Tisch. Ihr war übel, und sie wusste nicht, ob von den überreizten Nerven, den

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