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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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den Stiefvater des Kindes. Der Mann beteuerte seine Unschuld, benannte das Kind sogar als Entlastungszeugin. Luis präsentierte eine belastende Aussage des Kindes und ein psychologisches Gutachten, das die Glaubwürdigkeit der Fünfjährigen bestätigte. Die Anschuldigungen gegen ihren Mandanten zu widerlegen bedeutete für Greta eine Menge Arbeit. Es blieb keine Zeit, Tess durch die Stadt zu folgen. Am zweiten Dienstag im Juni versuchte sie immerhin, von Jan die Adresse des Fitnessstudios zu erfahren, um dort nach einer Maschine mit vorstehenden Schrauben zu suchen und sich nach den Stunden zu erkundigen, die Tess hier verbrachte. Angeblich wusste Jan nicht, wo seine Frau trainierte. Er hatte auch keine Zeit für eine längere Unterhaltung. Ihm war gerade eine völlig neue Einstiegsszene für seinen Roman eingefallen, die wollte er in Ruhe schreiben und sich nicht, wie sonst am Dienstag üblich, von Greta bei den Formulierungen helfen lassen. Das offene Gespräch mit Tess, das Greta ersatzweise führte, brachte sie ebenfalls nicht weiter, im Gegenteil. Tess geriet außer sich, als Greta nach der Adresse des Studios fragte.

    «Was fällt dir ein, hinter mir herzuschnüffeln! Wo ich trainiere, geht dich einen Dreck an. Irgendwo muss ich ja Dampf ablassen, wenn mein Göttergatte mir nicht die Chance gibt, mich bei ihm zu verausgaben. Wenn dir die Phantasie durchgeht, mach das nicht mir zum Vorwurf. Die Zeiten, in denen das berechtigt war, sind lange vorbei, meine Liebe. Ich hab dir schon so oft gesagt, woran es hier hapert. Muss ich mich denn ständig wiederholen?»
    Tess lachte, nicht fröhlich, nicht gehässig. Es war nur ein rauer Ton, fast wie Husten.

    «Ich könnte mir einen stattlichen Dildo leisten und käme vielleicht damit auf meine Kosten, wenn er nicht so viel Zeit mit dem blödsinnigen Roman verplempern würde. Er hatte zweihundert Seiten und hat sie wieder komplett auseinander gerissen. Aus dem Ding wird nie was. Und selbst wenn, wer, meinst du, wird ihm den Schund abkaufen? Er hat nicht das Zeug zum großen Autor. Detektivgeschichten und Familientragödien schreibt er aus dem Handgelenk. Also soll er es tun, verdammt nochmal. Er könnte ohne Schwierigkeiten zwei Folgen pro Monat schaffen. Sie werfen ihm die Verträge nach und betteln ihn förmlich an, dass er unterschreibt. Wenn er es endlich täte, müssten wir nicht mit jeder Mark rechnen.»
    Greta schloss später aus, dass Jan ihnen an dem Abend zuhören konnte, auch dann nicht, wenn er bei weit offenem Fenster gearbeitet hätte. Sein Arbeitszimmer lag zur Straße, und sie waren auf der Terrasse. Tess zeterte endlos weiter. Greta gab sich Mühe, sie zu besänftigen. Zu laut sprachen sie allerdings nicht. Deshalb gab es keine Erklärung für die Szene, die Jan offenbar zum gleichen Zeitpunkt schrieb und Greta in die Finger drückte, als sie sich verabschiedete.

    «Lass dir Zeit damit», sagte er.

    «Es eilt nicht. Kann sein, dass dir übel wird. Gefallen wird es dir bestimmt nicht. Aber ich habe in den letzten Wochen hin und her überlegt und bin zu der Überzeugung gelangt, es gibt nur diese Lösung. Das ist der Mord, mit dem der Täter überführt wird. Schau es dir an und sag mir bei nächster Gelegenheit, was du davon hältst.»
    Am Mittwoch und Donnerstag kam Greta nicht dazu, sich die vier Seiten anzuschauen. Sie war vollauf mit der Kindesmisshandlung beschäftigt, hatte in der Nachbarschaft Aussagen gegen die Mutter gesammelt, die leider nicht viel bewiesen. Beim Jugendamt lag nichts vor, und der zuständige Kinderarzt weigerte sich, Auskunft zu geben. Greta erwirkte einen richterlichen Beschluss, der es ihr gestattete, Einblick in die Patientenunterlagen zu nehmen. Anschließend vereinbarte sie sofort einen Termin mit Luis für den Freitagvormittag. Aber so wie es lief, hatte sie sich das Gespräch nicht vorgestellt. Sie kam kaum zu Wort. Eine halbe Stunde lang ereiferte Luis sich ohne Sinn und Zweck über das Leid eines wehrlosen Kindes. Ausgerechnet Luis schien sein Herz für kleine Leute entdeckt zu haben. Seine Ehe war kinderlos. Hella Abeler hatte vor endlosen Jahren eine Fehlgeburt erlitten und sich danach einer Operation unterziehen müssen, die jede Hoffnung auf Nachwuchs zunichte machte. Luis war glücklich darüber. Er konnte mit Kindern nichts anfangen. Und nun klopfte er auf seinen Schreibtisch, funkelte Greta an.

    «Das Kind sagt die Wahrheit. Ich hatte die Kleine hier. Es war schrecklich. Ein Kind sollte lachen können, sie

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