Meineid
ließ mich nicht aussperren.
«Es ist alles da. Die harmlose Fassade – einschließlich Schüchternheit, Hemmungen und Schwierigkeiten im sexuellen Bereich, jedenfalls wenn es um normalen Sex geht. Dazu ist er nicht fähig. Das hast du doch am eigenen Leib erlebt.»
Da eskalierte es. Sie fuhr zu mir herum und fauchte:
«Vielen Dank, dass du mich daran erinnerst. Jetzt hätte ich doch beinahe vergessen, wie dankbar ich dem Schicksal für deine Bequemlichkeit sein muss. Tut mir Leid, wenn ich mein Glück in deinem Bett nicht immer zu schätzen weiß. Tess könnte das inzwischen vermutlich. Frag sie doch einfach nochmal. Nach der permanenten Bedrohung, der sie seit zwei Jahren ausgesetzt ist, hat sich ihre Einstellung zu langweiligen Juristen vielleicht geändert.»
«Deinen Sarkasmus kannst du dir sparen. Du hast die Verbrennung und die Bisswunden gesehen. Wie kannst du da reinen Gewissens behaupten, Tess spiele nur Theater?»
«Das behaupte ich doch gar nicht mehr. Ich habe dir gesagt, an wen ich dabei denke, an Mandys Vater. Und sobald ich Zeit habe, werde ich …»
«Du kannst deine Zeit für etwas Sinnvolleres verwenden, unterbrach ich sie.
«Denk nur einmal kurz nach und beantworte mir ein paar Fragen. Warum hat Tess sich deiner Meinung nach mit ihrem Ehemaligen getroffen? Bestimmt nicht, um die Beziehung wiederaufzunehmen. Er hat sie einmal übel verprügelt. Und wie ich Tess kenne, verzeiht sie ihm das nie. Natürlich könnte sie versucht haben, ihn zu erpressen, um etwas Geld in die Finger zu bekommen. Aber so dumm wäre Tess auch nicht gewesen nach den Erfahrungen mit seiner Brutalität.»
Ich hatte sie nachdenklich gemacht und sprach weiter.
«Du willst einfach nicht sehen, was da vorgeht. Dass deine Augen nicht die besten sind, ist mir seit langem bekannt. Aber dass du so blind bist, wusste ich nicht.»
«Sei ein bisschen vorsichtig mit dem, was du sagst, Niklas.»
Nach Vorsicht war mir nicht mehr.
«Meinst du, Tess trinkt zum Vergnügen oder weil Jan sie mit dem Geld knapp hält?»
Ihre Antwort wartete ich nicht ab.
«In der Zeit mit ihrem Göttlichen habe ich sie nicht einmal betrunken erlebt. Und jetzt kippt sie literweise Whisky in sich hinein. Warum bietest du ihr nicht deine Hilfe an, Greta? Ich bin überzeugt, von dir wird sie sich helfen lassen. Sag ihr, sie soll sich eine Wohnung nehmen. Sie muss von ihm weg. An den Kosten werde ich mich beteiligen.»
«An wie viel hast du denn gedacht?, fragte sie.
«Zweitausend oder dreitausend? Und ich lege nochmal das Gleiche drauf. Damit kommt Tess vermutlich einigermaßen zurecht, wenn sie sich ein klein wenig einschränkt. Und das wird sie bestimmt tun, wenn sie auf unsere Kosten lebt. Wie lange, meinst du, müssen wir zahlen? Bis Mandy ihr Studium beendet hat? Dann lass uns hoffen, dass Mandy danach einen guten Job findet, der sie in die Lage versetzt, Tess zu versorgen. Sonst sind wir bis an unser Ende zuständig. Ich kenne Tess, leg ihr ein finanzielles Polster hin, dann ruht sie sich aus. Wenn du mir nicht glaubst, frag ihren Bruder.»
«So lange ich zurückdenken kann», sagte ich,
«höre ich von dir, sie sei deine Freundin. Ist das bloß noch ein Lippenbekenntnis? Macht es dir Spaß, zuzuschauen, wie sie vor die Hunde geht? Sie hat dir zweimal einen Strich durch deine Rechnung gemacht, nun soll sie ihre Rechnung bezahlen. Wenn Jan sich die Wartezeit bis zur nächsten Tour über Land mit ihr vertreibt, was soll’s! Sie hätte ja ihre Finger von ihm lassen können. Dir wäre nichts passiert. Dich wollte er ja nicht.»
Greta hob einen Arm, im ersten Moment dachte ich, sie hätte nach mir geschlagen. Aber sie zeigte nur auf die Tür, die ich hinter mir geschlossen hatte.
«Raus!»
Ich ging in mein Büro, und kaum hatte ich hinter dem Schreibtisch Platz genommen, klingelte das Telefon. Tess war am Apparat. Es war genau halb drei. Unser Gespräch dauerte etwa fünf Minuten, danach stand mir der Sinn nicht mehr nach Arbeit. Tess sprach, als hätte sie kaum Luft zum Atmen oder hielte mit Mühe die Tränen zurück.
«Tut mir Leid, Niklas», sagte sie unter anderem.
«Ich wollte dich eigentlich nicht damit behelligen, aber ich weiß nicht, mit wem ich sonst reden soll. Ich hatte ja schon vor zwei Jahren das Gefühl, Greta denkt an nichts anderes als an Sex, wenn sie mit Jan zusammen ist. Und ich fürchte, inzwischen denkt sie es nicht mehr nur. Ich höre immer, dass sie an seinem verfluchten Roman arbeiten, wenn sie sich
Weitere Kostenlose Bücher