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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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konnte nicht mal weinen. Ich werde verhindern, dass ihr auch noch der Atem ausgeht.»

    «Dann solltest du die Mutter festnehmen», sagte Greta.

    «Die Kleine war schon vor der Eheschließung mit meinem Mandanten mehrfach wegen diverser Verletzungen in ärztlicher Behandlung.»

    «Er hat ja auch schon vorher mit der Mutter zusammengelebt, hielt Luis dagegen. Er kochte vor Wut. Zwar war er erfahren genug, es hinter sozialem Engagement zu verbergen, Greta spürte es trotzdem und fand keine Erklärung. Es entsprach nicht seinem Wesen, und es gab keinen Grund, sich derart aufzuregen. Es ging auf zwölf zu. Draußen stieg das Thermometer über die Dreißiggradmarke. Der Himmel sah aus wie mit Lackfarbe bepinselt. Auf dem Sims vor dem Fenster saß eine Taube und rührte sich nicht. Anscheinend war sie krank, zu matt und zu schwach, um sich einen schattigen Platz zu suchen. In Luis’ Büro staute sich die verbrauchte Luft. Eine Klimaanlage gab es nicht. Greta bat ihn, ein Fenster zu öffnen. Er zeigte auf die Taube.

    «Ich will das Vieh nicht hier drin haben.»

    «Ich habe genug Beweise, begann Greta von neuem und wedelte mit dem Material zugunsten ihres Mandanten. Daraufhin warf Luis einen Blick auf seine Armbanduhr und hatte es plötzlich sehr eilig, sie loszuwerden.

    «Ich habe noch einen wichtigen Termin, dachte nicht, dass wir so lange brauchen, sonst hätte ich dich auf Montag vertröstet. Lass mir den Kram hier, ich schaue es mir an.»
    Es war ein glatter Rauswurf. Das war der Vormittag. Der Rest des Tages war um einiges schlimmer, nicht nur für Greta. * Als sie zurück in die Kanzlei kam, gerieten wir in einen entsetzlichen Streit. Sie beschwerte sich über Luis. Ich stimmte eigentlich mit ihr überein, was die Unschuld ihres Mandanten betraf. Und trotzdem erkundigte ich mich, ob sie nur deshalb auf die misshandelnde Mutter gekommen sei, weil der arme Jan einschlägige Erfahrungen hatte. Damit waren wir schon bei unserem Lieblingsthema. Nur hatte ich es bis dahin nie darauf angelegt, sie zu verletzen. Greta warf mir vor, ich hacke nur aus einem Grund ständig auf Jan herum, weil er mir Tess vor der Nase weggeschnappt habe.

    «Irrtum, Mäuschen», sagte ich.

    «Zu dem Zeitpunkt, als er sich Tess geschnappt hat, habe ich sie seit langem nur noch gebraucht, um dich aus der Reserve zu locken. Es hat nur leider nicht funktioniert. Dich hat ja nicht einmal das letzte Jahr zur Vernunft gebracht. Wenn Tess ihm morgen einen Tritt gibt, nimmst du ihn mit offenen Armen auf und ich bin abgemeldet. Habe ich Recht?»
    Sie schwieg, aber ihre Miene sprach Bände.

    «Mein Gott, Greta, wo hast du deinen Verstand? Er ist ein Killer. Seit dreieinhalb Jahren geht das jetzt so, direkt vor deiner Nase, du suchst sogar noch die schönen Formulierungen für sein Machwerk! Welcher Autor, der bis zu den Ohren in Arbeit steckt und seine Sinne alle unter Kontrolle hat, beschäftigt sich denn dreieinhalb Jahre lang mit einem Projekt, das nichts weiter ist als eine Anhäufung von Mordszenen?»

    «Wie kannst du dir anmaßen, seinen Roman zu beurteilen, wenn du nur kleine Ausschnitte kennst?»

    «Mir reichen die kleinen Ausschnitte», sagte ich.

    «Und dir sollten sie eigentlich auch reichen, nachdem ich dir gezeigt habe, auf welcher Vorlage sein sozial dramatischer Einstieg beruht. Ich wäre in keiner Weise überrascht, wenn sich über kurz oder lang herausstellt, dass der große Rest sein Tagebuch ist. Diese Typen lieben es, in Erinnerungen zu schwelgen. Da haben sie gleich noch einmal das halbe Vergnügen. Wozu ist er einmal im Monat unterwegs? Was recherchiert er draußen? Wenn er zurückkommt, hat er einen neuen Mord kreiert oder zumindest ein neues Opfer ausgekundschaftet.»

    «Wenn du davon so überzeugt bist, warum hast du dann nicht längst etwas gegen ihn unternommen? An deiner Stelle wäre ich schon vor Monaten mit ein paar Passagen bei der Polizei gewesen oder bei Luis. Da könnte der Meister sich auf einen richtig großen Fall stürzen.»
    Ihr Ton machte deutlich, dass es höchste Zeit war aufzuhören, wenn ich nicht das Wochenende alleine verbringen wollte. Es wäre einfach gewesen, den Mund zu halten und es nicht auf die Spitze zu treiben. Aber ich war wütend. Seit dreieinhalb Jahren kämpfte ich gegen Windmühlen.

    «Du solltest dich einmal mit dem Psychogramm eines Triebtäters beschäftigen», sagte ich, als Greta in ihr Büro ging. Sie wollte die Tür hinter sich schließen, ich war ein bisschen schneller und

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