Meineid
identisch. Greta bugsierte ihn zu ihrem Mercedes, öffnete die Tür an der Beifahrerseite und wollte ihn auf den Sitz schieben.
«Er fährt mit mir», sagte ich.
«Oder musst du ihm noch ein paar Verhaltensmaßregeln geben?»
«Red doch keinen Unsinn!, fuhr sie mich an. Ich grinste unfroh.
«Du hast Recht. Für Anweisungen hattest du Zeit genug. Dann kann ich ihm ja jetzt ein paar Fragen stellen. Und das möchte ich gerne unter vier Augen tun.»
«Sieh ihn dir doch an! Er ist nicht in der Verfassung, Fragen zu beantworten.»
Ich fand, er war in genau der richtigen Verfassung. Greta packte Jans Schulter, drückte sie nach unten, damit er endlich einstieg. Ohne Erfolg. Jan rührte sich nicht, beachtete weder sie noch mich. Er schien nicht einmal zu bemerken, dass er neben ihrem Wagen stand.
«Er kommt mit mir, Greta, verlangte ich. Sie schüttelte heftig den Kopf. Ich sagte ruhig:
«Ich sage es nur einmal, Greta. Entweder er kommt mit mir. Oder ich stehe ab sofort der Polizei als Zeuge zur Verfügung.»
«Du Idiot, flüsterte sie, «als Zeuge wofür? Er hat Tess kein Haar gekrümmt. Niklas, ich bitte dich! Glaub mir. Leg die Tasche in meinen Wagen, hilf mir, ihn auf den Sitz zu bringen. Und dann fahr hinter uns her. Wir fahren zu mir. Dort können wir in Ruhe reden. Wenn wir noch lange auf der Straße stehen, können wir Karreis und Feibert auch dazurufen.»
Bei Letzterem musste ich ihr zustimmen. Ich war sicher, dass sie uns von einem der vorderen Fenster aus beobachteten, warf die Tasche über den Beifahrersitz in den Wagenfond und griff nach Jans Arm.
«Steig ein, Jan. Es wird Zeit, dass wir verschwinden.»
Er reagierte endlich, zog den Kopf ein und ließ sich auf den Sitz schieben. Dann legte er den Kopf gegen die Nackenstütze und schloss die Augen.
«Ich kann nicht mehr. Einmal steht man das durch, auch zweimal. Aber nicht dreimal. Ich bin so müde.»
Nicht einmal ich begriff auf Anhieb, was er mit einmal, zweimal oder dreimal meinte. Ich dachte dabei an Karreis’ Fragen, an die ständigen Wiederholungen. Greta schaute zu mir her, stieg dann rasch ein und legte ihm den Sicherheitsgurt an.
«Du kannst gleich schlafen. Ich sorge dafür, dass Niklas dich in Ruhe lässt.»
Er stieß einen Laut aus wie ein gehässiges Lachen, es konnte ebenso gut ein Schluchzen sein.
«So wie Tess dafür gesorgt hat, dass Mandy mich in Ruhe ließ? Warum hat sie Mandy weggebracht? Ich wollte ihr nicht wehtun. Kein Mensch kann aus seiner Haut raus.»
«Nein», sagte sie, warf mir noch einen verstohlenen Blick zu, «das kann keiner.»
Sie startete und fuhr los. Ich ging ebenfalls zu meinem Wagen und folgte ihr. * Gretas Erleichterung schrumpfte mit jedem Kilometer, bis nichts mehr davon übrig war. Im Laufe des Abends hatte sie mehrfach gedacht, Jan sei nur ein schlechter Schauspieler, der seine Rolle ein paar Stunden lang spielte und kräftig überzog. Doch als sie versuchte, ihn auf den nächsten Akt, das Gespräch mit mir, vorzubereiten, ihn darauf hinzuweisen, dass er nicht so übertreiben durfte, reagierte er nicht mehr. Er reagierte auch nicht, als sie den Wagen in der Tiefgarage abstellte. Sein Kopf war zur Seite gedreht mit dem Gesicht zur Scheibe. Sie hoffte, er sei nur eingeschlafen, wusste nicht, was der Arzt ihm injiziert hatte, schlug ihm leicht gegen den Arm und sagte:
«Wir sind da, Jan, steig aus.»
Sie war allein mit ihm. Die Parkplätze in der Garage waren den Mietern vorbehalten. Ich war erst gar nicht hineingefahren. Greta vermutete, dass ich bereits oben war, und zu lange wollte sie mich nicht allein in ihrer Wohnung lassen. Auch das Rütteln hatte keine Wirkung, nur Jans linker Arm bewegte sich dabei. Sie stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete die Tür, immer noch in der Hoffnung, dass die Spritze ihn betäubt hätte, obwohl es nach all der Zeit unwahrscheinlich war. Er schlief nicht. Seine Augen waren offen.
«Warum steigst du nicht aus, Jan?»
Keine Antwort, nur ein Kopfschütteln. Er hob den Kopf ein wenig, die Augen richteten sich auf ihr Gesicht. Noch ein Kopfschütteln, dann senkte er den Blick ein wenig tiefer.
«Jan, jetzt mach mir keine Schwierigkeiten, bat sie.
«Niklas wartet auf uns.»
Ebenso gut hätte sie den rechten Vorderreifen anflehen können. Noch ein Versuch. Mit ein bisschen mehr Nachdruck.
«Soll er dich aus dem Wagen prügeln?»
Jan betrachtete die Knöpfe ihres Kleides und den dunklen Fleck, den seine Stirn hinterlassen hatte.
«Du hast sie
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