Meineid
gekommen sein, sonst hätte der Stoff nicht so durchnässen können. Karreis und Feibert waren auf Greta fixiert und achteten nicht auf ihn, sonst hätte ihnen auffallen müssen, dass zwischen seiner blutverschmierten Brust und Gretas Aussage eine Diskrepanz von einigen Stunden lag. Jan strich mit der Hand über seine Haut, bevor er das frische Hemd zuknöpfte. Anschließend betrachtete er seine Hand, als könne er nicht fassen, dass sie sauber geblieben war. Das Blut auf seiner Haut war längst getrocknet. Er schüttelte wieder den Kopf, wurde kleiner und kleiner. Greta warf ihm erneut einen zweifelnden Blick zu, konzentrierte sich dann wieder auf ihre Antworten. Noch einmal von vorne, immer wieder dasselbe. Ein paar Mal setzte ich an, sie zu unterbrechen, öffnete den Mund oder bewegte eine Hand, dann tat ich doch nichts. So ist das, wenn man noch Hoffnung hat. Ich konnte sie nicht als Lügnerin bloßstellen, nicht in dieser Situation. Sie hätten sie doch augenblicklich festgenommen. Karreis ließ mit der Art seiner Fragen keinen Zweifel, worauf er abzielte. Ein Mann, eine Geliebte und eine überflüssige Ehefrau. Zwei Leute, die unter einer Decke steckten, hatten die lästige Person entweder gemeinsam aus dem Weg geräumt, oder einer von ihnen, vermutlich der Mann, hatte es getan, und die Geliebte deckte ihn. Ein Gerichtsmediziner konnte den Zeitpunkt des Todes ziemlich exakt bestimmen, darauf wies er sie mehrfach hin. Als ob Greta das nicht gewusst hätte. Zwischendurch ließ Karreis von uns allen, einschließlich meiner, Fingerabdrücke abnehmen. Eine Routinemaßnahme, wie er betonte, weil wir uns häufig in diesen Räumen aufgehalten hatten. Dann fuhr er mit seinen Fragen fort. Als er endlich zu verstehen gab, dass es ihm fürs Erste reichte, holte ich ein paar Sachen für Jan aus Schlafzimmer und Bad. Er konnte nicht im Haus bleiben. Die Leute von der Spurensicherung waren inzwischen in den oberen Räumen beschäftigt. Das Bad, das Schlafzimmer, sogar Mandys Zimmer nahmen sie unter die Lupe und schauten sich genau an, was ich für Jan aus den Schränken nahm. Um sein Arbeitszimmer hatte sich noch niemand gekümmert. Es hinderte mich auch niemand daran, einzutreten. Ob sie nicht bemerkten, dass ich in dieses Zimmer ging, statt zur Treppe, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht maßen sie dem Arbeitszimmer einfach keine Bedeutung bei oder trauten mir nicht zu, dass ich Beweise einstecken könnte. Eine Nachlässigkeit oder Gutgläubigkeit, die mir sehr gelegen kam. Ursprünglich hatte ich auch nicht vor, irgendwelche Beweismittel verschwinden zu lassen. Ich wollte nur Zigaretten für Jan mitnehmen. Dass er ohne nicht leben konnte, wusste ich zur Genüge, auch wenn er in den letzten Stunden keine angerührt hatte. Dass er im Schreibtisch stets mehrere Päckchen auf Vorrat hatte, war mir ebenfalls bekannt. Aber als ich das entsprechende Schubfach aufzog, vergaß ich die Zigaretten. Er bewahrte noch ganz andere Dinge in seinem Schreibtisch auf. Widerliche Kleinigkeiten, die dem Gerichtsmediziner etliche Fragen beantwortet hätten. Mir schnürten sie nur die Kehle zu. Ich hatte mich nicht geirrt in der Einschätzung seiner Veranlagung. Als ich wieder nach unten kam, schlug Greta vor, dass Jan die Nacht bei ihr verbringen sollte. Den Rest der Nacht, viel davon war nicht mehr übrig. Karreis sah es nicht gerne. Einwände konnte er jedoch nicht erheben. Greta fragte, wann sie und Jan ins Präsidium kommen sollten, um die Aussagen zu protokollieren. Seine Antwort kam erst nach ein paar Sekunden.
«Es reicht, wenn Sie am Montag erscheinen. Bis dahin können Sie noch einmal in Ruhe über alles nachdenken. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir morgen früh von Ihnen nichts anderes hören als das, was Sie uns eben erzählt haben. Aber …»
Er machte eine bedeutungsschwere Pause, grinste mich kameradschaftlich an und erklärte:
«Herr Brand scheint mir ein vernünftiger Mensch zu sein. Vielleicht nutzen Sie das Wochenende, um sich mit ihm zu besprechen. Montagmorgen neun Uhr im Präsidium. Wenn sich vorher etwas von Bedeutung ergibt, melden wir uns bei Ihnen. Sie haben doch bestimmt nicht vor, übers Wochenende zu verreisen.»
Wir verließen das Haus zu dritt um wenige Minuten vor zwei. Jan schlich mit hängenden Schultern neben Greta her. Ich war mit einer kleinen Reisetasche dicht hinter ihm. Er war so durcheinander, dass er sich neben meinen Wagen postierte. Wir fuhren das gleiche Modell, auch die Farben waren
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