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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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tatsächlich belogen, stellte er fest.
    «Warum, Greta?»
    Beinahe hätte sie gesagt, weil ich dich liebe. Das sprach sie nicht aus», sagte stattdessen:
    «Ich habe es dir doch erklärt.»
    Er begann zu lächeln.
    «Meinst du, du hättest mich jetzt da, wo du mich immer haben wolltest? Ich glaube, du irrst dich.»

    «Steig aus, Jan, verlangte sie noch einmal. Als er den Kopf schüttelte, nahm sie seine Tasche aus dem Wagenfond und ging zum Aufzug. Ich war bereits oben, saß auf der Couch und schaute ihr verblüfft entgegen. Allein hatte ich sie nicht erwartet.
    «Wo ist er?»

    «Im Auto.»
    Sie klang hilflos.
    «Wenn er weg ist, Greta, ich hetze ihm auf der Stelle die Polizei auf den Hals.»

    «Er kann nicht weg sein. Ich habe den Wagenschlüssel.»

    «Er hat doch Beine», sagte ich, erhob mich, um ihn zu holen. Sie folgte mir natürlich in die Tiefgarage. Er saß tatsächlich noch im Wagen, in unveränderter Position, sogar den Gurt hatte er noch angelegt. Ich legte einen Arm auf das Wagendach und beugte mich zu ihm hinein.
    «Was ist los, Freund? Keine Lust auf eine gemütliche Plauderrunde?»

    «Nenn mich nicht Freund», sagte er dumpf.
    «Du warst nie mein Freund. Du warst immer nur scharf auf Tess. Meinst du, das wüsste ich nicht? Und wenn du sie rumgekriegt hättest, hätte Greta mit keiner Wimper gezuckt. Ihr habt eine komische Vorstellung von Liebe, ihr zwei. Und ihr schmeißt mit dem Ausdruck Freund um euch, als wäre es Dreck. Ihr wisst überhaupt nicht, was das bedeutet, Freundschaft.»
    Seine Stimme klang hohl.
    «Barringer war mein Freund, fuhr er wie in einem Monolog fort:
    «Er sagte, bevor du einem Weib traust, kannst du dir besser eine Kugel in den Kopf jagen. Sie brechen dir das Kreuz und saugen dir das Mark aus den Knochen. Und wenn du nicht mehr aufrecht stehen kannst, nennen sie dich einen Waschlappen, eine Niete, einen Versager. Sie machen dich so lächerlich, dass du nicht mehr in den Spiegel schauen kannst. Ich dachte, er übertreibt, aber er hatte Recht.»
    Greta runzelte irritiert die Stirn. Den Namen Barringer hatte Jan bereits erwähnt, als er noch mit ihr allein gewesen war. Sie hatte dem keine Bedeutung beigemessen. Jeder zitierte mal irgendjemanden. Jan zitierte mit Vorliebe Barringer. Greta kannte viele von Barringers Sprüchen. Sie kannte auch Barringer, den Macho, für den es nur zwei Sorten Frauen gab. Eine an Kochtopf und Waschmaschine, die andere im Bett. Und wenn eine Frau nicht spurte, wusste Barringer, wie er mit ihr umzugehen hatte. Barringer war vierundzwanzig Jahre alt, eins fünfundachtzig groß und dunkelhaarig. Er beherrschte diverse Kampfsportarten, hatte eine Ausbildung in schnellem und lautlosem Töten, absolvierte täglich ein immenses Pensum an Krafttraining und raste in seiner knappen Freizeit am liebsten in einem aufgemotzten Golf GTI durch die Gegend. Barringer war eine Nebenfigur in Jans Roman, die in der Mitte der Handlung erstmals auftauchte und in mehreren Szenen agierte. Ich hatte bisher keine dieser Szenen zu Gesicht bekommen. Und für Gretas Empfinden war Barringer hoffnungslos überzeichnet, so voll beladen mit Klischees, dass er nur noch lächerlich wirkte. Sie hatte Jan wiederholt darauf aufmerksam gemacht und immer zu hören bekommen:
    «Aber so sehe ich ihn, Greta. Genau so.»
    Im Gegensatz zu ihr hörte ich den Namen Barringer zum ersten Mal. Und allmählich wurde ich nervös, fühlte mich überfordert von dem, was ich mir vorgenommen hatte: Jan zum Reden bringen. Ich war persönlich viel zu sehr involviert, hatte nicht den nötigen Abstand, nur Tess vor Augen mit aufgeschürften Handgelenken, einer Stichwunde unter der linken Brust, blutigem Hals und den anderen Verletzungen. Die Erklärungen des Gerichtsmediziners dazu summten mir noch im Hirn. Und diese widerlichen Kleinigkeiten aus Jans Schreibtisch, ich hätte sie liebend gerne bei ihm zum Einsatz gebracht. Ich begann, mit den Fingerspitzen auf das Wagendach zu trommeln.
    «Das ist es, was man im Leben braucht», sagte ich, «wahre Freunde, die sich auskennen! Du kannst ihn mir ja bei Gelegenheit einmal vorstellen, deinen Freund Barringer.»
    Jan lachte wehmütig, als erinnere er sich an eine heitere Episode aus einer Zeit, die unwiderruflich vorbei war.
    «Würde ich gerne, ist aber leider nicht möglich. Er hätte dir deine Arroganz aus dem Schädel geprügelt. Er war ein verrückter Hund, hatte vor nichts und niemandem Respekt. Drei Streifen hatte er. Mehr war auch für ihn nicht drin.

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