Meineid
diesen privaten Kassen und konnte die Beiträge nicht mehr zahlen. Sie haben ihn rausgeworfen. Vor zwei Monaten schon.»
«Das gibt’s doch nicht, murmelte Armin. Ob er damit meine freche Lüge oder das Geschäftsgebaren der Privatkasse meinte, blieb dahingestellt. Er öffnete endlich seine Tasche, holte die Blutdruckmanschette heraus. Hilfe brauchte er nicht, nur ein paar saugfähige Tücher, um Greta nicht das Bett zu verderben. Ich brachte ihm das Gewünschte, dann schickte er uns hinaus. Wir gingen in die Küche. Ich brauchte dringend einen starken Kaffee. Auch Greta sah aus, als könne sie einige Tassen vertragen. Während ich den Kaffee aufbrühte, erkundigte ich mich überflüssigerweise:
«Hat er dich so zugerichtet?»
«Nein, ich bin gegen die Tür gelaufen», sagte sie.
«Als ich es mit der Schulter nicht schaffte, sie aufzudrücken, dachte ich, ich probiere es mal mit dem Gesicht.»
«Spar dir deinen Sarkasmus, riet ich.
«Du solltest es kühlen. So kannst du nicht unter Leute gehen. Karreis wird sich freuen, wenn du ihm so vor Augen kommst. Und ich glaube nicht, dass es bis Montag heilt.»
«Ich kann es überschminken, behauptete sie.
«Sei dir nicht so sicher. Hast du schon in den Spiegel geschaut?»
Sie schüttelte den Kopf. Dann saßen wir uns am Tisch gegenüber. Ich griff nach ihrer Hand, hielt sie fest.
«Da er dich auch mit den Fäusten nicht zur Vernunft gebracht hat, nehme ich an, dass wir zum letzten Mal so in deiner Küche sitzen.»
«Rede keinen Unsinn, murmelte sie. Ich lachte leise.
«Du hast Recht. Ein vor Wut schäumender Selbstmordkandidat ist eigentlich keine Konkurrenz für mich.»
Sie schwieg und starrte in ihre Tasse.
«Hast du eine Ahnung, warum er das getan hat?, fragte ich.
«Er hat gehört, dass wir über seine Vergangenheit sprachen.»
«Das war alles?»
Sie nickte.
«Du gestattest mir ein paar Zweifel, Greta», sagte ich.
«Wenn ich ein reines Gewissen habe, sehe ich keinen Grund, mir die Pulsader aufzuschneiden, nur weil sich jemand mit meiner Vergangenheit beschäftigt.»
Aber die Pulsader hatte Jan sich auch nicht aufgeschnitten, nur eine große Vene. Ich zweifelte am Motiv ebenso wie an der Absicht. Auf der Abtropffläche neben dem Ausguss lagen noch die zahlreichen Medikamentenstreifen, die er geleert hatte. Vitamintabletten, es war trotz der zerstörten Folien noch zu erkennen, worum es sich handelte. Und bei einem Autor sollte man voraussetzen, dass er lesen konnte. Zusätzlich Unmengen von einem Mittel, das die Blutgerinnung förderte. Auch wenn das nicht auf der Packung stand, Greta hatte ihm vermutlich irgendwann erzählt, aus welchen Gründen sie Styptobion einnahm. Ein gerissener Hund, der uns alle an der Nase herumführte. So hatte ich ihn dreieinhalb Jahre lang gesehen, nun sah ich ihn erst recht so. Und Greta dachte unentwegt: Barbara McKinney starb ganz langsam. Natürlich sprach sie nicht aus, was ihr durch den Kopf ging. Sie wollte es auch nicht glauben. Jan konnte das nur gesagt haben, weil er verbittert war, maßlos enttäuscht von ihr. Ich sah, dass sie mit ihren Gedanken weit weg war. Und ich hätte zu gerne gewusst, womit sie sich beschäftigte. Aber auf meine leichthin gestellten Fragen bekam ich keine Antwort. Greta war nicht in der Verfassung, sich mit mir auseinander zu setzen. So saßen wir schließlich schweigend da und warteten auf Armin. Endlich kam er in die Küche, setzte sich zu uns an den Tisch.
«Bekomme ich auch einen Kaffee? Dafür verzichte ich auf die Rechnung.»
«Nicht unverschämt werden, Bruderherz.»
Ich lachte, obwohl mir nicht nach Scherzen zumute war.
«Für die paar Stiche eine Rechnung. Du bekommst ein Freiexemplar von seinem Roman, wenn der jemals fertig werden sollte. – Wie geht es ihm?»
Armin berichtete in kurzen Sätzen. Er hielt Jans Zustand für kritisch, aber mehr in psychischer als in physischer Hinsicht. Eine unmittelbare Gefahr für sein Leben bestand nicht, solange man ihn daran hinderte, diese Aktion zu wiederholen. Armin ließ Greta aufzählen, was Jan außer dem Styptobion noch alles eingenommen hatte. Er winkte ab. Kleinkram. Die fünf Valium und der Blutverlust würden ihn erst einmal schlafen lassen. Wenn er aufwachte, war ihm möglicherweise übel vor lauter Kieselerde-Calcium, Magnesium, Carotin und Vitamin E. Armin schrieb ein Rezept über ein starkes Beruhigungsmittel und ein Eisenpräparat aus. Dann wollte er wissen:
«Was ist mit seinen Beinen geschehen? Das sieht ja
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