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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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gab. Ich hatte immer noch keine Ahnung, was in ihr vorging, als sie schweigend neben mir im Wagen saß. Es sollten auch noch etliche Tage vergehen, ehe ich es erfuhr. Ich hielt unterwegs bei einer Apotheke, löste das Rezept ein und fuhr weiter. Erst in den letzten fünf Minuten machte ich einen erneuten Versuch, etwas von dem zu erfahren, was ihr durch den Kopf zog:
    «Machst du dir Sorgen um Jan? Das musst du nicht. Er ist bei Armin in guten Händen. Oder hast du nur Angst, dass er Armin etwas erzählt?»
    Greta schüttelte sich leicht, als ich sie ansprach.
    «Nein, Niklas, fang nicht wieder an! Er hat mich geschlagen!»
    Na endlich, dachte ich und sagte:
    «Richtig, und nicht nur einmal. Den ersten Schlag kann man vielleicht noch begründen. Er wollte ins Bad, und du warst ihm im Weg. Aber er hat weiter auf dich eingeprügelt, Greta. Wie oft haben wir das gelesen? Er kann nicht aufhören, wenn er einmal angefangen hat. Wie viele Seiten hat er dir in die Hand gedrückt, auf denen es genauso war? Die Frauen wurden immer brutal zusammengeschlagen, bevor sie sterben mussten. Hat er gedacht, du wärst tot, als er von dir abließ?»

    «Hör auf, murmelte sie.
    «Nein», sagte ich.
    «Ich höre erst auf, wenn du zur Vernunft kommst. Greta, bitte. Er kann nicht in deiner Wohnung bleiben. Beim nächsten Mal nimmt er vielleicht ein Messer. Du hast ihn erlebt in der Nacht, dieses Schwanken. In einem Moment ansprechbar, im nächsten abgetaucht. Er ist unberechenbar. Im Haus sind Polizisten, sag ihnen die Wahrheit. Du hilfst ihm nicht, wenn du ihn deckst.»

    «Lass mich in Ruhe, Niklas.»

    «Und wenn er redet?, fragte ich. Sie gab einen unwilligen Laut von sich, winkte ab und grübelte weiter. Mein Bruder neben Jans Bett. Wenn Jan Armin dasselbe erzählte wie ihr? Barbara McKinney! Sie hatte nicht die Zeit, darüber nachzudenken, und beschwichtigte sich mit dem Gedanken, dass Jan so rasch bestimmt nicht aufwachte. Und wenn doch: Für Armin fiele ihr schon etwas ein. Jan ist voller Schuldgefühl. Er meint, verantwortlich zu sein für den Tod seiner Frau, weil er zusammen mit mir das Haus verlassen hat. Was denn? Er hat gesagt, er wäre im Haus gewesen? Das ist Unsinn, Armin, er war bei mir. Er wünscht sich wahrscheinlich, er wäre daheim geblieben. So oder so ähnlich könnte sie es meinem Bruder erklären. Aber alles zu seiner Zeit, jetzt waren andere Dinge wichtig. Sie konnte das Haus nicht auf den Kopf stellen mit einem Polizeibeamten an der Seite. Sie konnte auch nicht sagen: Tu mir einen Gefallen, Niklas, lenk den Wachhund ab, ich muss etwas suchen. Ich redete weiter auf sie ein. Sie hörte mir nicht zu. Es war sehr heiß, noch nicht Mittag und schon dreißig Grad. Im Wagen spürte man dank der Klimaanlage nicht viel davon. Aber als wir ausstiegen, fiel es mir schwer, richtig durchzuatmen.
    «Irgendwann, murmelte Greta, als wir auf das Haus zugingen, «wenn Mandy erwachsen ist, werde ich ihr davon erzählen. Es war der Sommer, in denen uns allen die Gehirne ausdörrten. Es war so furchtbar heiß, dass man sich dreimal am Tag umziehen musste und nicht mehr klar denken konnte. Deine Mutter lag auf der Terrasse, sie trug nur ein Bikinihöschen, als sie erstochen wurde. Irgendjemand hat die Nerven verloren, aber nicht Jan. Er war es nicht. Er hätte so etwas nie tun können.»
    In dem Moment empfand ich dasselbe, was sie am vergangenen Abend bei Jans Anblick gefühlt haben musste. Ich hatte Angst um ihren Verstand. Das Hirn in zwei Hälften gerissen, vom Herzen ganz zu schweigen. Dreieinhalb Jahre in ihn investiert und dreißig Jahre mit Tess verbracht, einen verlorenen Traum und eine gestohlene Liebe hingenommen. Ich wünschte mir plötzlich, Jan hätte ihr nachgegeben, einmal mit ihr geschlafen, von mir aus auch zehnmal. Nicht in den letzten Wochen und Monaten, zu Anfang. Sie hätte es begriffen, da war ich sicher. Sie hätte ihn durchschaut und als das erkannt, was er war: ein Mann ohne Gefühle. Sie hätte selbst gespürt, was Tess ihm an dem Augustsonntag auf der Terrasse vorgehalten hatte. Er lebte von den Gefühlen anderer, saugte ihnen alles aus dem Leib, was sie aufbieten konnten! * Sie waren zu dritt im Haus. Feibert und zwei andere, die sich unter seiner Aufsicht durch die Schrankfächer im Wohnzimmer, durch Handtaschen und Kommoden in der Diele wühlten. Feibert war erzfreundlich und mehr an Gretas Gesicht als am Grund unseres Erscheinens interessiert. Er sprach sie nicht darauf an, betrachtete sie nur und

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