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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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ich es nicht.»
    Sie holte ihm eine von den fünf Packungen. Er fummelte mit zittrigen Fingern am Zellophan, bekam den Ansatz nicht zu fassen. Er blinzelte unentwegt, kämpfte gegen Müdigkeit und Schwäche an. Greta machte Kaffee, setzte sich zu ihm an den Tisch, nahm ihm die Packung aus den Fingern und öffnete sie. Nachdem er sich eine Zigarette angezündet hatte, versuchte sie, mit ihm über Handschellen und Klammern zu reden. Jan schaute sie an, ohne eine Miene zu verziehen. Er reagierte auch nicht, als sie sagte:
    «Der Arzt, der Tess untersucht hat, hat Verletzungen festgestellt, die darauf hindeuten, dass die Klammern benutzt wurden. Er wird auch feststellen können, ob Tess in jüngster Zeit Handschellen getragen hat. Nach Eintritt des Todes zeichnen sich solche Spuren rasch auf der Haut ab. Jan, wir sollten offen darüber reden. Wenn so etwas im gegenseitigen Einvernehmen geschieht, hat niemand etwas dagegen. Wir leben in einer aufgeklärten Zeit, jeder Polizist weiß, dass es verschiedene Spielarten der Liebe gibt. Diese Spielarten haben mit ihrem Tod nichts zu tun, also gibt es auch nichts zu verbergen.»
    Er schaute zur Kaffeemaschine, rieb sich die Augen und drückte die Zigarette auf dem Unterteller von Armins Gedeck aus, das noch auf dem Tisch stand.
    «Denk, was du willst, Greta. Aber verschon mich damit. Ich will Kaffee und keine Diskussion.»
    Er trank zwei Tassen Kaffee, rauchte noch zwei Zigaretten, schaute entweder in seine Tasse oder auf die Zigarette zwischen seinen zitternden Fingern. Greta legte ihm eine Eisentablette auf den Tisch. Er winkte ab:
    «Schluck das Zeug selbst.»
    Dann ging er zurück ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Greta ließ ihn in Ruhe, wie mein Bruder ihr geraten hatte. Sie machte Ordnung in der Wohnung, beseitigte die Pizza und den Salat, leerte den Mülleimer und säuberte das Bad. Das ruinierte Kostüm samt der Bluse und Jans blutigen Slip stopfte sie in einen Müllbeutel, knotete ihn zu und trug ihn zum Müllschlucker. Dann ging sie zurück an den Computer. Während sie sich mit Aufräumen beschäftigt hatte, waren ihr die vier Seiten eingefallen, die ich an mich genommen hatte. Sie wollte sie ebenso umschreiben wie die Szene mit Josy. Aber das hatte Jan schon getan. Es gab nicht mehr die geringste Ähnlichkeit zwischen Tess und der Frau, die auf den ersten vier Romanseiten starb. Jan musste die Szene irgendwann zwischen dem Dienstagabend und Freitagmittag geändert haben. Zuletzt abgespeichert hatte er das erste
    « am Freitag um zwölf Uhr fünfundvierzig. Greta suchte nach einem Namen. Auf den ersten Seiten war die Frau nur mit
    «sie»
    bezeichnet. Es folgten zwei Seiten über den Einsatz der Feuerwehr. Schließlich fand sie, was sie suchte, Ann Jamin. Auf weiteren fünf Seiten war beschrieben, wie die Nachbarschaft Ann Jamins Tod beurteilte. Sie war als starke Raucherin bekannt gewesen. Darüber hinaus wusste man, dass sie zwar zwei Jahre lang mit ihrem Freund zusammengelebt, dass er sich jedoch kurz vor ihrem Tod von ihr getrennt hatte. Der Name des Freundes war Axel Berle, wie sollte es auch anders sein. Dass Ann Jamin ihn hinausgeworfen hatte, dass Axel Berle zurückgekommen war, um sie zu töten, niemand hatte etwas davon bemerkt. Seine ehemaligen Nachbarn mochten Axel Berle. Er war ein höflicher junger Mann, immer freundlich. Ann Jamin war nicht so beliebt gewesen. Ein Trauerkloß, eine heimliche Trinkerin, stets eine düstere Miene aufgesetzt, nie einen Gruß erwidernd. Für die Polizei im Roman war es Selbstverschulden. Eine junge Frau mit Alkohol im Blut und einer brennenden Zigarette in der Hand war in ihrem Bett eingeschlafen. Die Gerichtsmediziner arbeiteten nachlässig oder hatten keine Chance bei der stark verkohlten Leiche. Jedenfalls entgingen ihnen die Zeichen der Folter, die Ann Jamin kurz vor ihrem Tod erlitten hatte. Zuerst fand Greta das nur seltsam, weil doch mit diesem Mord Axel Berle überführt werden sollte. Das jedenfalls hatte Jan am Dienstagabend gesagt. Aber bei diesem perfekten Szenario hatte die Polizei keine Chance. Und plötzlich hatte Greta die alte Couch in Jans Wohnung vor Augen und den Brandgeruch in der Nase. Sie fragte sich, was passieren mochte, wenn ein Bett Feuer fing. Brannte die gesamte Wohnung aus? Nicht unbedingt. Wenn die Feuerwehr rechtzeitig zur Stelle war, ließ sich der Schaden vielleicht begrenzen. In den übrigen Räumen breitete sich nur der Rauch aus und setzte sich in Polstermöbeln fest.

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