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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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eingefallen», sagte ich und versuchte, einen scherzhaften Ton anzuschlagen.
    «Du bist jetzt prädestiniert für jede Art von Erpressung. Hatte ich gesagt, mit einmal in der Woche wäre ich zufrieden? Ich werde meine Forderungen drastisch erhöhen. Zweimal in der Woche mindestens.»

    «Mir steht nicht der Sinn nach deinen Späßen, murmelte sie. Ich lehnte mich gegen den Türrahmen.
    «Mir auch nicht. Habe ich dir mal von meinem Großvater erzählt? Er starb, als ich zehn war, fiel einfach um. Er hatte mir das Schwimmen beigebracht, die Eisenbahn mit mir aufgebaut, fast den gesamten Karl May mit mir gelesen. Vater hatte damals für mich nicht viel Zeit. Er war damit beschäftigt, Horst seine Vorliebe für alte Steine auszureden und ihm die Vorzüge von Paragraphen zu erklären. Was es bei mir zu erklären gab, übernahm Großvater. Für mich war er unentbehrlich. Dann war er plötzlich nicht mehr da. Und ich begriff nicht, was im Haus vorging. In den ersten Stunden gab es ein paar Tränen. Doch schon kurz darauf waren alle fürchterlich beschäftigt. Mutter saß bis zum Abend am Telefon, stellte Listen zusammen von Leuten, die benachrichtigt oder zur Beerdigung eingeladen werden mussten. Eine geschlagene Stunde diskutierte sie mit Vater, welchen Anzug sie zum Beerdigungsinstitut bringen sollten. Unser Haus füllte sich mit Verwandtschaft, alle waren hektisch und irgendwie sogar fröhlich. Für mich ging die Welt unter, und sie lachten. Jetzt begreife ich, warum. Solange man noch hektisch und fröhlich sein kann, solange man noch irgendetwas zu tun hat, muss man der Leere nicht ins Auge schauen.»
    Ich stieß mich vom Türrahmen ab.
    «Also, tun wir etwas. Ich hole dir die Technik rauf, dann kannst du dich beschäftigen, während ich überlege, wie wir Mandys Vater als falsche Spur auf ein solides Fundament stellen können.»

    «Wie kannst du nur so verbissen behaupten, dass es eine falsche Spur ist?, fragte Greta.
    «Du hast gehört, was Joachim sagte. Tess muss sich in letzter Zeit mit ihm getroffen haben. Warum sonst hätte sie das in ihren Kalender schreiben sollen? Und wenn sie versucht hat, ihn ebenso unter Druck zu setzen wie Jan …»
    Ich winkte ab.
    «Lass gut sein, Greta. Dass es im Kalender steht, ist für mich genug falsche Spur. Wenn du zur fraglichen Zeit hier mit Jan zusammen warst, was sollte dann dein Geständnis?»
    Sie antwortete nicht, schaute mich nur an mit einem völlig ausdruckslosen Blick. Ich hob die Schultern und grinste flüchtig:
    «Aber es ist eine gute Spur, also sehen wir zu, dass wir einen Hinweis auf seine Identität finden und ihn Karreis und Feibert als Täter schmackhaft machen. Dann müssen wir nur noch hoffen, dass er kein wasserdichtes Alibi für die Tatzeit hat.»
    Ehe ich Gretas Wohnung verließ, warf ich noch einen Blick auf Jan. Er lag auf der Seite und schlief fest. Seine Haut war blass, er atmete flach, aber gleichmäßig. Auch sein Puls war nicht so schwach, wie ich es erwartet hatte. Gerne ließ ich Greta nicht mit ihm allein, obwohl ich nicht glaubte, dass er sie erneut angriff. Und wenn doch, er war ohne Zweifel geschwächt und sie nach den trüben Erfahrungen gewiss vorsichtiger. Als ich die Wohnungstür hinter mir zuzog, saß sie bereits in ihrem Arbeitszimmer an seinem Computer. Ihre Miene machte deutlich, dass ich nur noch störte. In den folgenden Stunden fand in Greta ein Prozess statt, den ich im kühnsten Traum nicht erwartet hatte. Es erwachten die ersten Zweifel, dass sie in den vergangenen dreieinhalb Jahren den richtigen Jan gesehen hatte. Dabei geschah nichts Außergewöhnliches, sie tat nur, was sie schon Hunderte von Malen getan hatte. Sie las seinen Roman. * Die
    « waren fortlaufend nummeriert, zusätzlich gab es eine Datei mit der Bezeichnung
    «Reg»
    . Der schenkte Greta keine Beachtung. Sie suchte nach Josy, rief
    « um
    « auf, gab den Namen in eine Suchoption. Hin und wieder las sie eine Zeile. Misshandlungen in den Heimen. Vergewaltigungen durch ältere Jungs und Erzieher. Die Verbrecherorganisation. Im vierten
    « wurde sie fündig, fuhr ein paar Zeilen zurück und hatte die Szene vor sich, die Jan in der Anfangsphase unzählige Male entworfen, nach deren Lektüre sie ihn einmal gefragt hatte:
    «Fällt dir eigentlich nichts Besseres ein?»
    Die Szene war noch einmal stark überarbeitet worden und hatte dabei jeden Sinn und jede Logik verloren. Es gab nicht einmal mehr den Ansatz einer Erklärung, warum die Hauptfigur Axel Berle sich

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