Meineid
Wenn dann jemand, der zwei Jahre in dieser Wohnung gelebt und einen Teil der Einrichtung angeschafft hatte, Ansprüche auf den Rest erhob, warum sollte man ihm den verweigern? Auf Seite zwölf erschien Axel Berle bei der Polizei, legte Kaufquittungen für Sitzgarnitur und Couchtisch vor und fragte höflich, ob er über diese Sachen verfügen dürfe, sie seien sein Eigentum, und es verbänden sich damit Erinnerungen an zärtliche Stunden mit einer Frau, die für ihn unwiederbringlich verloren war. Jan hatte auch nicht vergessen, zu erwähnen, mit welch wonnigen Gefühlen der höflich bittende Axel Berle das ausgesprochene Mitgefühl der Polizisten entgegennahm, die ihn eigentlich hätten zur Strecke bringen sollen. Greta war sehr sonderbar zumute. Nebenan lag der Verfasser dieser Szenen in ihrem Bett. Und ich hatte einmal die Frage aufgeworfen, ob sich mit der Couch liebe Erinnerungen verbanden. Sie war nahe daran, ins Schlafzimmer zu gehen und ihn zu fragen. Aber sie war vernünftig genug, zu wissen, dass sie einen größeren Fehler kaum machen konnte. Am späten Abend rief sie mich an. Ich hörte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Ihre Stimme klang wie gewohnt, aber die Worte kamen, als würge man sie.
«Womit hast du dir den Nachmittag vertrieben?»
Statt einer Antwort fragte ich knapp:
«Was macht er?»
«Er schläft. Verrätst du mir, was du getrieben hast, oder willst du es als Geheimnis mit ins Grab nehmen?»
Es gab nichts zu verheimlichen. Ich hatte am Nachmittag in Braunsfeld Detektiv gespielt, leider ohne Erfolg. Es war zu lange her, dass Tess dort in einer eigenen Wohnung gelebt hatte. An sie erinnerten sich wohl noch zwei ihrer früheren Nachbarn. Doch an einen Mann, der sie regelmäßig besucht hatte … Es hatte nur Kopfschütteln gegeben. Ich wollte am Montag mit der Hausverwaltung sprechen; es musste einen Mietvertrag gegeben haben. Und da Mieten normalerweise von einem Konto aufs andere überwiesen werden, fasste ich als nächsten Schritt eine Bank ins Auge. Dass wir Unterlagen im Haus finden könnten, die uns weiterhalfen, glaubte ich nicht. Zum einen war Tess übervorsichtig gewesen, was diesen Teil ihres Lebens betraf, zum anderen dürfte die Polizei alles, was von Bedeutung schien, sichergestellt haben, nachdem wir sie mit der Nase auf Mandys Vater gestoßen hatten.
«Es wäre auch nützlich, in Erfahrung zu bringen, ob es außer dem Freitag Termine mit Paps gab. Ich werde Karreis danach fragen. Obwohl …»
Ich brach ab, als mir auffiel, dass ich jeden Atemzug durchs Telefon hörte.
«Ist wirklich alles in Ordnung, Greta?»
«Ja», sagte sie rasch.
«Was wolltest du sagen, obwohl?»
«Ich halte die Eintragung in ihrem Kalender für eine Finte. Wenn Tess sich tatsächlich mit ihm getroffen hat, hat sie sich das garantiert nicht notiert. Aber wie auch immer, wir kommen ihm auf die Spur.»
«Sei nicht zu optimistisch, meinte Greta.
«Soll ich zu dir kommen?, fragte ich. Ich hörte ein tiefes Durchatmen.
«Das ist lieb gemeint, aber überflüssig. So viel Platz ist auf meiner Couch nicht. Du wirst dich kaum zu Jan ins Bett legen wollen.»
Natürlich nicht. Mir war auch nicht danach, in einem Sessel zu nächtigen. Nach der schlaflosen Nacht sehnte ich mich nach einem Platz, an dem ich mich bequem ausstrecken konnte. Ich ging kurz nach diesem Gespräch ins Bett und schlief rasch ein. Greta legte sich auf ihre Couch und schlief ebenfalls ruhig bis zum nächsten Morgen. Das war der Sonntag, der Tag, an dem sie Jan von einer ganz anderen Seite kennen lernte. * Gegen zehn Uhr morgens rüttelte er sie wach. Er stand neben der Couch, nur mit einem dünnen Slip bekleidet.
«Wie steht’s mit Frühstück? Oder ist das im Preis nicht inbegriffen?»
Greta brauchte ein paar Sekunden, um zu erfassen, was er gesagt hatte und in welchem Ton. Sein Gesicht sah sie nur unscharf, war überzeugt, dass er grinste, und erkundigte sich:
«Willst du jetzt den Macho spielen? Die Rolle passt nicht zu dir. Setz den Kaffee auf, du kennst dich ja aus in meiner Küche. Ich muss zuerst ins Bad.»
«Setz den Kaffee auf?, wiederholte er und schüttelte den Kopf. Das sah sie auch ohne Kontaktlinsen.
«Gewöhn dir gar nicht erst an, mich zu kommandieren, Greta. Die Zeiten, in denen man das mit mir machen konnte, sind lange vorbei. Es waren auch nur ein paar Monate. Danach hab ich kommandiert. Also: Heb deinen Hintern. Geh von mir aus pinkeln, aber wasch dir die Hände danach. Und dann verzieh dich in die
Weitere Kostenlose Bücher