Meinen Sohn bekommt ihr nie
kommen überein, die Trauzeremonie in Pkiâin besser für uns zu behalten, um die Sache nicht noch komplizierter zu machen. Nun gilt es, ein Datum zu finden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass an Sabbat, den meisten religiösen Festen und in der Fasten- sowie der Trauerzeit nicht geheiratet werden darf. Und dann braucht es noch die Trauzeugen, wie wir bereits wissen. Diesmal wird der eine Trauzeuge der Sohn des Rabbis sein, der andere ein alter Freund meiner Mutter, der wie sie während des Kriegs in Kuba lebte und anschlieÃend nach Israel zog.
Nun stehen die obligatorischen Hochzeitsvorbereitungskurse an. Shai absolviert seinen Kurs mit dem Rabbi, ich werde von einer verheirateten und vom Rabbinat für diese Aufgabe befugten Frau unterrichtet. In diesen Kursen lernen wir, in welchem Verhältnis Ehe und Religion zueinander stehen, wie man Sitten und Bräuche respektiert, Kinder erzieht und die jüdischen Feiertage einhält.
Am Tag vor der Hochzeit werde ich zusammen mit den weiblichen Gästen die Mikwe, das rituelle Bad, besuchen, um mich vorschriftsgemäà zu reinigen. Die Bescheinigung, die mir dort ausgestellt wird, ist für die Trauung unerlässlich. Nichtpraktizierende Jüdinnen gehen genau einmal in ihrem Leben in die Mikwe, nämlich vor ihrer Hochzeit. Für mich wird es der erste Kontakt mit den jüdischen Reinheitsgeboten sein, die ich später noch in aller Ausführlichkeit kennenlernen werde.
Wir legen die Hochzeit auf den 26. Oktober 2001, einen Freitag. Da Heiraten am Samstag nicht erlaubt ist, wird häufig am Freitag während des Tages gefeiert. Maya, meine zukünftige Schwiegermutter, die Gott und die Welt kennt, organisiert das Catering und findet einen Festsaal in einem kleinen Landsitz, einem märchenhaften Ort einige Kilometer nördlich von Tel Aviv. Wir verschicken Einladungen, wählen den Fotografen, die Musik und die Blumen aus, bestimmen meine Frisur und Shais Anzug. Ohne mich zu fragen, hat Maya einen bekannten israelischen Designer gebeten, mir ein Brautkleid aus cremefarbenem Satin zu leihen, das einer Prinzessin würdig wäre, dazu Handschuhe, einen Schleier und eine drei Meter lange Schleppe. Ich möchte niemanden verletzen und lasse das hübsche Kleid, das ich in Frankreich mit meiner Mutter ausgesucht habe, schweren Herzens im Schrank verschwinden. Die Vorbereitungen laufen derweil weiter auf Hochtouren.
Am 11. September 2001, als die Türme des World Trade Center in New York einstürzen, bin ich bei der Arbeit, im zwanzigsten Stock unseres Büroturms. Die Panik, die die ganze Welt erfasst, macht auch mich unsicher. Ich überlege mir ernsthaft, ob die Hochzeit überhaupt stattfinden kann, falls die Gäste unter diesen Umständen nicht mehr fliegen wollen.
Am Tag der Hochzeit sind sie dann doch alle da, dreihundert Gäste aus der Schweiz, Belgien, Frankreich und ganz Israel. Auf die allgemeine BegrüÃung folgt der groÃe Augenblick: Feierliche Musik erklingt, der Rabbi bittet Shai und mich, mit unseren Familien unter die Chuppa zu treten, zuerst der Bräutigam, dann die Braut. An der Seite meiner Eltern schreite ich nach vorne. Mein Hals ist wie zugeschnürt, es ist ein bewegender Moment. Diese Hochzeit ist der strahlende Höhepunkt meiner Alija, der Ausgleich für das Unglück, das schwere Schicksal, das mir bereits einen Ehemann genommen hat. Einige Meter vor der Chuppa bleibe ich stehen. Shai befestigt den Schleier vor meinem Gesicht, eine symbolische Aufforderung an den Mann, die Frau zu kleiden und zu beschützen, und zugleich eine Reminiszenz an Rebekka, die ihr Gesicht verschleierte, bevor sie Isaak zum Mann nahm. Unter der Chuppa umrunde ich Shai sieben Mal. In sieben Tagen wurde die Welt erschaffen, und ich erschaffe in diesem Sinn die Mauern meines neuen Heims. Dann stelle ich mich an die rechte Seite meines zukünftigen Gatten.
Der Rabbi gieÃt Wein in ein Glas, aus dem wir beide trinken. AnschlieÃend steckt mir Shai, wie schon in Pkiâin, doch diesmal vor versammelter Gesellschaft, einen goldenen Ring an den Zeigefinger meiner rechten Hand und spricht dabei den Satz, der mich an ihn bindet. Nun verliest der Rabbi in der aramäischen Originalsprache die Ketubba, den jüdischen Ehevertrag, in dem die Pflichten des Ehemanns gegenüber seiner Frau festgehalten sind und den Shai und die zwei Trauzeugen unterzeichnet haben. Nach jüdischem Recht obliegen
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