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Meinen Sohn bekommt ihr nie

Titel: Meinen Sohn bekommt ihr nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabelle Neulinger
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und «Masel tov – viel Glück!» rufen.
    Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass es sich hier um eine Verlobungsfeier handelt. Doch in Wirklichkeit hat Shai, ohne die geringste Andeutung zu machen, alles sorgfältig für eine jüdische Hochzeit arrangiert: die Chuppa, den Hochzeitsbaldachin, in Form des Blechdachs, die Trauzeugen, den Ring, die Wahl des Tages… Gültigkeit hat eine jüdische Heirat auch dann, wenn sie nicht von einem Rabbiner vollzogen wird. Lediglich die Trauzeugen sind vorgeschrieben.
    Ohne dass ich überhaupt begreife, was hier vor sich geht, und ohne dass Shai mich um meine Zustimmung ersucht hätte, bin ich nach jüdischem Recht seine Ehefrau geworden.
    Ich nehme es ihm nicht übel, denn ich liebe ihn und betrachte das Ganze gar als den Akt eines großen Romantikers. Obwohl ich mir selbst noch nicht die Frage gestellt habe, ob ich mich in dieser Form an ihn binden möchte, hat er entschieden, dass wir zusammengehören. Hier hat sein Idealismus gesprochen, er ist sich seiner Sache sicher, und diese Selbstsicherheit imponiert mir.
    Für den Abend haben Daoud und Wafa, die eingeweiht waren, ein Festmahl zubereitet. Die Gastfreundschaft der Drusen ist weithin bekannt. Auf dem Tisch stehen typische Gerichte ihrer Küche, verschiedene Salate, Fleischspieße, aromatisches Olivenöl, warmes libanesisches Brot und Honigkuchen. Unsere Gastgeber, die selbst nicht trinken, haben sogar daran gedacht, uns eine Flasche vorzüglichen galiläischen Wein zu besorgen. Wir essen, trinken und feiern bis spät in die Nacht.

Terror in Tel Aviv
    Alles schön und gut. Nur möchte ich eine echte, traditionelle Hochzeit, in einem richtigen weißen Brautkleid, mit Gästen, Musik, Blumen. Ich möchte, dass mich meine Eltern unter die Chuppa führen, und unsere Familien und Freunde sollen bei uns sein und sich mit uns freuen.
    Schon am nächsten Tag, auf dem Rückweg nach Tel Aviv, teile ich Shai ganz unverblümt meinen Wunsch mit. «Du hast in aller Zurückgezogenheit in Galiläa und ohne Rabbi heiraten wollen, einverstanden, aber ich möchte, dass diese Verbindung offiziell bestätigt wird.»
    Â«Ich traue den Rabbis nicht», ist seine Antwort.
    Ich muss ihn dennoch überzeugt haben, denn als wir in Tel Aviv ankommen, wendet sich das Blatt.
    Â«Na schön, wenn du unbedingt willst, sollst du deine große Hochzeit haben.»
    Völlig außer mir, rufe ich vom Handy aus meine Eltern an. Auch sie freuen sich, vor allem meine Mutter, die nicht vergessen hat, wie aufmerksam Shai ihr gegenüber war. Wir vereinbaren, im darauffolgenden Monat in die Schweiz und nach Frankreich zu reisen, um die Familie und Freunde zu besuchen.
    Kurz nach unserer Trauung in Galiläa stellt Shai mich auch seinen Eltern vor. Sie wissen selbstverständlich von mir, aber es kam noch zu keinem Treffen. Das Kennenlernen erfolgt getrennt, die beiden sind geschieden und reden schon seit Jahren nicht mehr miteinander. Avi, der Vater, ist der schweigsamste Mensch, dem ich jemals begegnet bin. Und auch ein Lächeln kommt nicht über seine Lippen. Seine Partnerin Ronit dagegen ist reizend. Shais Mutter, Maya, ist eine schillernde Persönlichkeit. Woran es Avi fehlt, hat sie in gewisser Hinsicht zu viel. Sie leitet in Tel Aviv ein Büro für Öffentlichkeitsarbeit und übernimmt kurzerhand bei den Hochzeitsvorbereitungen die Regie. Shai und ich finden, dass wir nun zusammenleben könnten, und so zieht er ein Stockwerk höher bei mir ein.

    Am darauffolgenden Wochenende feiern wir bei uns zu Hause mit Freunden meinen Geburtstag, und tags darauf fahren wir für einige Tage nach Zypern.
    Wieder zurück, geht es für Shai gleich weiter nach Sun City in Südafrika, er begleitet einen Freund auf einer lange geplanten Firmenreise. Die Aussicht, ohne mich zu sein, findet er nicht sehr erfreulich. Doch ich beruhige ihn, ich würde schon ohne ihn zurechtkommen. Zudem bieten mir die Vorbereitungen für die Hochzeit eine willkommene Abwechslung.
    Die Realität holt mich unsanft ein. Am 1. Juli 2001 ereignet sich ein blutiges Selbstmordattentat am Eingang der Diskothek Dolphinarium. Einundzwanzig Jugendliche sterben, mehr als zwanzig Personen werden verletzt, und das nur wenige hundert Meter von meinem Apartment entfernt. Es ist Freitagabend, fast Mitternacht, die Diskotheken sind zum Bersten voll, Panik bricht aus. Die ganze Nacht über

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