Meinen Sohn bekommt ihr nie
legt, nachdem die erste Ãberraschung verflogen ist, eine kalte, beinahe gleichgültige Verachtung an den Tag. Das verheiÃt nichts Gutes. Selbst die Aussicht, Tel Aviv zu verlassen und das Wochenende abseits des Trubels bei meinen Freunden zu verbringen, kann mich nicht wirklich beruhigen.
Als ich zurückkomme, hat Shai schon sein näheres Umfeld informiert. Sein Vater und dessen Partnerin suchen mich auf und wollen mir weismachen, dass doch alles gar nicht so schlimm sei.
Nicht so schlimm! Zu Hause herrscht Chaos. Shai belegt fortan das Gästezimmer, wo seine Kleider, die Porträts des «neuen Messias», Essensreste und jede Menge Bücher in schönster Unordnung durcheinanderliegen. In nur wenigen Tagen hat sich das Zimmer in eine regelrechte Rumpelkammer verwandelt. Und als ob die Ankündigung vom Ende unserer Beziehung ein Auslöser gewesen wäre, beschleunigt sich auch Shais äuÃerer Wandel: Er lässt sich einen Bart wachsen und trägt von nun an einen schwarzen Hut und einen schwarzen Mantel. Er kommt und geht nach Belieben und kümmert sich um seine Angelegenheiten, ohne mit mir zu reden.
In der Nachbarschaft werden die Leute indes gesprächiger, als sie von unserer Trennung erfahren. Von den Händlern im Viertel erfahre ich zum Beispiel, dass Shai regelmäÃig auf der StraÃe für die Lubawitsch-Bewegung um Anhänger wirbt und Geld sammelt. Noam hatte er stets bei sich. Ich fasse es nicht.
Mit Igals Hilfe finde ich eine Tagesmutter, in deren Obhut ich Noam gebe, während ich bei der Arbeit bin. Shai scheint sich nichts daraus zu machen, im Moment zumindest.
Ich selbst habe morgens mit Ãbelkeit zu kämpfen, bin müde und unruhig. Die beständige Angst, Shai könnte meine Schwangerschaft entdecken, sitzt mir im Nacken. Nachts schlieÃe ich mich mit Noam im Schlafzimmer ein. Ich weiÃ, dass ich, obwohl die Wohnung auf meinen Namen läuft, meinen Mann rein rechtlich nicht vor die Tür setzen kann, weil wir nicht geschieden sind. Und eine andere Wohnung kann ich mir alleine nicht leisten. Anstatt ihn offen darauf anzusprechen, versuche ich, Shai mit anderen Mitteln dazu zu bewegen, auszuziehen: Ich esse nicht mehr koscher, und am Sabbat telefoniere ich mit meinen Eltern und stelle das Radio an. Doch nichts greift. Shai isst in seinem Zimmer, und zudem sitzt jeden Tag, wenn ich von der Arbeit komme, ein halbes Dutzend schwarz gekleideter Männer in meinem Wohnzimmer, ins Studium der Thora vertieft. Ansonsten ist Shai viel unterwegs. Manchmal kommt er erst um drei oder vier Uhr morgens nach Hause, manchmal erst bei Tagesanbruch.
Am Ende meiner Geduld, setze ich Maya, meine Schwiegermutter, ins Bild. In meiner Naivität glaube ich, in ihr eine Verbündete zu finden. Doch Maya fällt nichts Besseres ein, als ihrem Sohn sofort von der Schwangerschaft und der geplanten Abtreibung zu erzählen. Mit einem Mal ist Shai wie verwandelt. Er schenkt mir Blumen und Schokolade, er schmeichelt mir und fleht mich an, das Kind zu behalten. Weil all dies nicht fruchtet, droht er sodann mit allen Ãbeln, von der Strafe Gottes bis zur ewigen Hölle. «Das wird dir teuer zu stehen kommen. Ich werde dir alles nehmen, was dir einmal gehört hat, einschlieÃlich Noam, und danach wird dir nur noch zum Heulen sein», verspricht er mir.
Es kommt zur ersten Anhörung vor dem Familiengericht. Meine Nerven liegen blank, für den nächsten Tag ist die Abtreibung geplant. Shai weià davon. Das wird meinem Anwalt und mir eine unglaubliche Szene bescheren, die sich in den Gängen des Gerichts abspielt, ich höre Igal noch rufen: «Sie sind ja krank!» Shai schlägt Igal tatsächlich einen Tauschhandel vor, ein für ihn stimmiges Geschäft: Er behalte Noam, und ich könne seinetwegen das noch ungeborene Kind haben. Mein Anwalt ist fassungslos. Was für ein Mann und Vater muss Shai sein, um zu einem solchen Kuhhandel imstande zu sein?
Das Urteil der Richterin trägt groteske Züge: Ich erhalte das Sorgerecht für Noam und werde von meinem Mann getrennt, doch wir werden weiter unter einem Dach leben, und Shai hat das Recht, Noam zweimal wöchentlich zu besuchen. Unter diesen Umständen ist die Auflage der Richterin zu einer Familienberatung verständlicherweise zum Scheitern verurteilt, umso mehr, als es sich bei der Beratungsperson, Said, um einen israelischen Araber handelt und Shai aus diesem Grund das
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