Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
Vom Netzwerk:
London geworden, von dem ich nur noch zu Weihnachten so eine Kitschkarte bekomme. Und der Kleine macht mir wirklich Sorgen. Er ist mit den falschen Leuten zusammen, und ...«
    »Schwulen Leuten, meinst du.« Leise.
    »Nein«, gab sie scharf zurück. Red doch nicht so einen Stuss. Du solltest mich besser kennen. Ich weiß Bescheid, seit er zwölf war. Ich will doch nur, dass er glücklich ist. Ich rede von Drogen, verdammt noch mal. Das ist mehr als nur so ein bisschen Koks und Ecstasy. Ich komme nicht mehr an ihn ran!«
    »Er sucht noch seinen Platz im Leben.« Kemíl drückte seine Zigarette aus. »Ich war in seinem Alter genauso, wenn nicht schlimmer.«
    Janet hätte ihm so gern geglaubt. Aber Eric war nicht so wie Kemíl. Er war ihr Sohn, und sie liebte ihn. Aber sie sah auch seine Schwäche, seine Orientierungslosigkeit, seine Verführbarkeit, seine manchmal unkontrollierte Aggressivität.

6
    Blut lief ihr in die Augen, das Licht der Straßenlampen flirrte rot. Barbara wischte sich mit dem Oberarm über das Gesicht und fuhr in der falschen Richtung auf die Litoral. Sie konnte die Straße kaum erkennen. Autos blendeten sie, hupten. Einer krachte hinter ihr auf den Mittelstreifen. Der Schock ließ nach, die Schmerzen hinderten sie daran, ohnmächtig zu werden. Sie spürte das Lenkrad nicht, es war als würde sie Handschuhe tragen. Handschuhe aus Feuer.
    Bei der Marineschule schaffte sie es endlich, abzubiegen. Weiter. Noch ein Stück. Wieder wurde sie angehupt. Dann war sie auf der Laietana mitten in einer Kette von Autos, sie musste nur den roten Lichtern vor ihr folgen. Hupen. Der Lärm hallte in ihrem Kopf wider. Trotzdem hörte sie die Polizeisirene heraus. Sah die blau-roten Lichter auf der Gegenfahrbahn vorbeiflackern.
    Das Café an der Plaça de L'Angel war voll besetzt. Sie fand die Bremse, trat sie durch. Sitzen bleiben. Die Augen schließen und sich zurücklehnen. Sie drückte die Tür auf und stieg aus. Schrilles Hupen. Ein BMW bremste eine Handbreit vor ihr. Zwei junge Männer schubsten sie zur Seite, sprangen in den Porsche und reihten sich wieder in den Verkehr ein.
    Barbara ging über die Straße, ohne etwas wahrzunehmen. Eine Frau sah ihr neugierig nach. Sie war fast daheim, sie war in ihrer calle . Bergauf. Sie hatte nie bemerkt, dass es so steil bergauf ging. Eine offene Bar. Betrunkenes Männerlachen. Einer von ihnen schien ihr ein Stück zu folgen, blieb dann aber doch zurück.
    Vor ihrer Haustür beulten sich zwei blaue Mülltüten. Sie sahen weich und bequem aus. Es gelang ihr nicht, die Hand in die Hosentasche zu schieben, um ihren Hausschlüssel herauszuholen. Sie läutete bei Nr. 03 im Hinterhaus. Der elektrische Türöffner summte. Der alte Gomez war nicht mehr so gut zu Fuß. Bis er an seiner Tür war, musste sie oben auf der Vordertreppe sein. Im Innenhof kümmerte ein Topf mit Yuccas vor sich hin. Der Hof war winzig, und sie hatte noch nicht mal die Hälfte geschafft. Das Treppensteigen fiel ihr nur am Anfang schwer, dann stellte sich eine Art bewusstloser Automatik ein. Weiter, immer weiter. Es war heiß hier oben unter dem Dach, die Hände glühten. Sie taumelte gegen die Tür. Hinlegen, ausruhen. Hinter der Tür mienzte Fritz the cat. Erst fragend, dann in höchsten Tönen. Kratzte am Holz.
    Barbara hakte einen Finger unter den Hosenknopf und riss ihn auf. Schrie vor Schmerz. In der lockeren Hose kam sie an den Schlüssel. Er fiel zu Boden, Barbara setzte sich dazu. Schloss die Augen. Fritz schrie jetzt vor Hunger und Empörung und warf sich gegen die Tür. Barbara zog sich hoch. Sie brauchte beide Hände, um den Schlüssel ins Schloss zu schieben.
    Fritz wickelte sich vor Begeisterung so um ihre Beine, dass sie fast gestürzt wäre. Der Schlüssel. Sie durfte ihn nicht stecken lassen. Fritz sprang an ihr hoch. »Ja, mein Süßer, ja ...«, sie schleppte sich in die Küche. Fritz steigerte die Lautstärke noch mal. Sie musste eine Schere zu Hilfe nehmen, sie unter die Lasche der Whiskasdose schieben und den Deckel hochziehen. Das Futter fiel neben die Schüssel, aber das war Fritz egal. Er machte sich schnurrend darüber her.
    Barbara kannte die Frau nicht, die ihr aus dem Badezimmerspiegel entgegensah. Und sie wollte sie auch nicht kennen lernen. Sie drehte den Wasserhahn auf, wartete, bis das Wasser einigermaßen kalt war und hielt dann ihre Hände darunter. Die Erleichterung über das fast schlagartige Nachlassen der Schmerzen war so überwältigend, dass es alle anderen

Weitere Kostenlose Bücher