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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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Empfindungen verdrängte.
    Die Angst und die Vorsicht.

7
    Es begann laut zu werden. Die Telefone standen nicht mehr still, die Kollegen von der Nachtschicht brachten die ersten Verhafteten.
    Eine alte Frau hatte mit einem Beil ihren Mann erschlagen. Sie hatten vor fünfzig Jahren an San Juan geheiratet, und er hatte den Hochzeitstag vergessen.
    Drei junge Männer hatten eine Schlägerei um ein Mädchen angefangen, das Mädchen hatte sich dazwischen geworfen und versehentlich einen Schlagring mit vollem Schwung genau auf die Nasenwurzel bekommen. Sie starb auf dem Weg ins Krankenhaus, und keiner wollte der Besitzer des Schlagrings sein.
    Zwei illegale Marokkaner hatten einen Porsche geklaut und damit direkt vor dem Polizeipräsidium einen Touristen aus Melbourne angefahren. Sie behaupteten zuerst, kein spanisch zu verstehen, dann absolut nichts zu wissen, und dann voller Bedauern, dass sie das Auto mit laufendem Motor mitten auf der Straße gefunden hätten und nur auf die Seite hätten räumen wollen. Sie wollten doch nur behilflich sein. Dieser dumme Unfall täte ihnen sehr Leid. Die Geschichte war so dämlich, dass man sie fast hätte glauben können. Aber. Der australische Tourist lag mit schwersten Hirnverletzungen auf der Intensivstation der Neurologie. Und als man auf der Suche nach seinen Personalien die Taschen und den Rucksack durchsucht hatte, fand man zwei als belgische Schokolade verpackte Haschischtafeln und eine kunstvoll ziselierte Keksdose voll mit Kokain. Eine weitere Überprüfung hatte allerdings auch deutliche Kokainreste im Porsche ergeben.
    Zwei verfeindete Nachbarn aus dem Carrer de la Mercé beschuldigten sich gegenseitig des Mordversuchs. Sie hatten direkt nebeneinander zwei kleine Bar-Cafés ähnlichen Zuschnitts. Und sie zeigten sich seit Jahren gegenseitig an. Mangelnde Hygiene, unsaubere Abrechnungen, Steuervergehen, Verstoß gegen irgendwelche Paragraphen. Sie waren zwei knorrige alte Kerle, die schon in den jeweiligen Häusern geboren worden waren, und die vermutlich die Fehden ihrer Väter übernommen hatten. Der eine arbeitete für den Widerstand, versorgte und versteckte Flüchtlinge und ging sogar einmal in den Knast. Damals. Der andere hatte ein goldgerahmtes Foto vom großen Caudillo über der Bar hängen. Und ließ es auch nach Francos Tod provokativ da hängen.
    Seltsam an dieser neuen denúnzia war die Tatsache, dass die beiden sich diesmal gleichzeitig gegenseitig des Mordanschlags bezichtigten. Sie hatten sich beide in verschiedenen Krankenhäusern untersuchen lassen, beide wiesen in Haaren, Blut und Urin eine extrem hohe Konzentration an Arsen auf. Beide waren dafür ausgesprochen munter und kregel. Die Kollegen, die auf die Anzeigen hin gekommen waren, hatten in den Kellern der beiden Bars kistenweise stark arsenhaltiges Rattenvernichtungsmittel gefunden, das noch aus den Zeiten vor dem Bürgerkrieg stammte.
    Pia kam nicht weiter.
    Sie saß jetzt schon seit über einer Stunde mit diesen beiden Typen im Verhörraum II und glaubte langsam ersticken zu müssen.
    Die Männer beachteten sie gar nicht. Sie schwiegen entweder oder brüllten sich an. Als wäre sie nicht vorhanden. Wie ein altes Ehepaar. Pia hätte sie gern rausgeschmissen. Doch die Arsendosis in ihren Körpern war lebensgefährlich, und beide Krankenhäuser hatten versucht, sie dazubehalten. Aber sie wollten nur zur Polizei. Zur Mordkommission.
    Die Hitze im Verhörzimmer war unerträglich. Toni hatte sich mit den Porsche-Marokkanern sofort den Raum I gekrallt, da gab es wenigstens ein Fenster, und manchmal funktionierte sogar der Deckenventilator. Pia hielt es nicht mehr aus. »Ich komme gleich wieder, möchte einer von Ihnen etwas zu trinken?« Die Männer reagierten nicht. Sie nickte dem Kollegen an der Tür zu und ging hinaus.
    Es war ein Zufall.
    Sie kam auf dem Weg zum Waschraum an einem freien Tisch vorbei, gerade als das Telefon läutete. Und hob automatisch ab. Es war die Zentrale.
    »Dringender Anruf von den bomberos . Explosionsbrand in Barceloneta. Vermutlich Brandstiftung. Die Mordkommission wird angefordert.«
    »Okay, verstanden, bin schon unterwegs!« Pia verstand keineswegs. Was hatten sie vom Morddezernat mit Brandstiftung zu tun? Aber es war eine Chance der gebetsmühlenlangweiligen Sauna zu entfliehen. Pia schrieb eine Anweisung, um die beiden alten Knurrhähne in die jeweilige Klinik zurückbringen zu lassen und nahm ihre Tasche und die Weste, mit der sie das Pistolenhalfter

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