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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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Vorbeirennen eine Hand voll mit.
    Als sie das Polizeipräsidium erreichten, kamen schon die ersten Einsatzwagen aus der Ausfahrt. Bonet kaute noch an den Hühnerflügeln. »Eins muss man Toni lassen. Schnell ist er.«

13
    Ihr war übel vor Hunger. Sie hatte seit drei Tagen nichts weiter gegessen als ein Stück altes Brot und eine angefaulte Feige. Sie hätte alles getan für einen Biss von dem specktriefenden Hamburger. Aber sie wollte nicht, dass dieser widerliche alte Mann sie anfasste. Sie ließ es trotzdem zu. Als er ihr danach den Burger kaufte, musste sie sich übergeben. Mitten rein in sein schönes Auto. Wütend warf er sie raus.
    Sie war in Barcelona.
    Barbara war erst dreizehn, aber das hatte sie gelernt: Die alten Männer zahlten fürs Anfassen.
    Paco nicht. Der wunderbare Paco. Der Mann, der ihr Vater und Lehrer und Freund wurde. Der Mann, der sie alles gelehrt hatte. Die Liebe, die Kunst und das Leben.
    Der Amerikaner, der sie angesprochen hatte. Die enge, krumm gewundene Straße im alten barrio chino . Kühle Schatten unter düsteren Häusern und tausenden von Balkonen voller Wäscheleinen.
    Sein Texashut und die Stiefel aus Krokodilleder. Er war riesig und so dick, dass seine Lederstrumpfjacke nicht mehr zuging. Er roch nach Schweiß, Knoblauch und Rasierwasser, und aus seiner Nase und aus seinen Ohren wuchsen rötliche Haarbüschel.
    Er hielt ihr einen Hundertdollarschein hin. Hundert Dollar! Davon konnte sie ein Vierteljahr oder länger leben und sich einen richtig guten Ausweis kaufen. Sie nickte. Er lächelte und beugte sich über sie. Seine dünne Oberlippe war kaum zu sehen, die Unterlippe wölbte sich als roter Wulst vor. Speicheltropfen. Seine Hände waren gewaltige Fleischkraken, mit rötlichem Haar bedeckt. Er legte ihr einen Kraken auf die Schulter. Im anderen steckte immer noch der grüne Geldschein.
    Hundert Dollar.
    Barbara reagierte, bevor sie nachdenken konnte. Sie schnappte sich das Geld, drehte sich aus seiner Umarmung und rannte weg.
    Sie konnte schnell rennen. Wenn sie eins in ihrem kurzen Leben gelernt hatte, dann war es das. Aber der fette Riese bewegte sich plötzlich wie ein Torpedo. Barbara schlug einen Haken, schlüpfte in einen Hinterhof. Aus allen Hinterhöfen gab es auch Hinterausgänge. Aus diesem nicht. Als sie umkehren wollte, stand er schon hinter ihr. Sein Gesicht violett vor Anstrengung und Wut. Sie versuchte auszuweichen, aber er packte sie mit einer Hand am Hals und drückte sie gegen eine Mülltonne. Mit der anderen fetzte er ihr T-Shirt auf und suchte seinen Geldschein. Sie brauchte noch keinen BH. Er zerrte an ihren Jeans. Sie rissen. Barbara schrie, wehrte sich, trat um sich und versuchte, ihn zu beißen. Er schlug sie mit dem Handrücken ins Gesicht. Ihr Hirn platzte, ihre Zähne krachten aufeinander, sie hatte Härchen im Mund. Er fand das Geld in ihrem Slip. Zusammen mit der ganzen Tagesbeute.
    Hilfe!!! Alle Fenster waren gegen die Hitze mit Jalousien und Sonnenblenden geschlossen, kleine Kinder kreischten, Fernseher brüllten. Das Viertel mit der höchsten Bevölkerungsdichte Barcelonas. Und keinen Menschen interessierte es, dass direkt unter ihren Augen ein Riese aus Texas ein kleines heimatloses Mädchen abschlachtete.
    Sie schluchzte auf, musste immer heftiger weinen und begann, stammelnd um ihr Leben zu betteln. Sein Griff lockerte sich nicht, aber die Wut in seinem Gesicht machte wieder der Gier von vorher Platz. Er sagte etwas auf englisch, das sie nicht verstand und zog sie näher zu sich heran. Sie wollte nicht sterben. Sie kniff die Augen zusammen. Der Würgegriff nahm ihr den Atem.
    Plötzlich war sie frei. Sie hustete, würgte. Und vergaß, wegzulaufen.
    Zwischen ihr und dem Riesen stand ein Magier. Über einem altmodischen schwarzen Anzug trug er einen schwarzen Umhang mit rotem Seidenfutter. Er war sehr schlank und sehr groß. Ein ganzes Stück größer als der Texaner. Sein schulterlanges Haar war silbern. Sicher war er fünfhundert Jahre alt.
    Der Texaner lachte nur.
    Der Magier hatte einen kunstvoll mit Silber beschlagenen Spazierstock aus Ebenholz in der Hand. Mit einem eleganten Zug holte er einen blinkend scharfen Degen hervor und setzte ihn dem Texaner an die Gurgel. Der Texaner lachte nicht mehr. Der Magier griff in die Taschen der Lederstrumpfjacke und holte alles Geld heraus, Barbaras achtzehnhundert Peseten, den Hundertdollarschein und eine volle Brieftasche. Er blätterte sie durch und studierte kurz den Ausweis.
    »Wünschen Sie,

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