Meines Bruders Moerderin
meinst das wirklich ernst? Du hast einen Job? Du verkaufst Schuhe?«
»Du kannst mich Al Bundy nennen«, Eric lachte und hob einen Fuß an. »Und das sind auch keine Schuhe, das sind Unikate.« Janet sah eine Art sohlenlosen Schnabelturnschuh aus weichem mattrotem Leder, einem Material, das sich ihrer Meinung nach eher für Handschuhe geeignet hätte.
»Sehr schön«, meinte sie höflich. »Und warum sollte ich herkommen?«
»Ich wollte, dass du Bertrán kennen lernst. Und er dich.«
»Das freut mich sehr.« Das war nicht nur so dahingesagt. Wenn Eric endlich eine dauerhafte und verantwortungsvolle Beziehung eingehen wollte, dann kam vielleicht doch noch so etwas wie Ruhe in sein Leben. »Aber das war nicht alles, oder?«
»Nein.« Gil Azar starrte Eric wütend an. »Komm endlich zur Sache!«
»Gil, bitte«, Bertrán legte ihm eine Hand auf die Schulter. Janet sah, dass er hart zugriff. Gil senkte den Kopf. Bertrán ließ ihn wieder los. »Wir haben ein kleines Problem. Freunde von Gil. Saïd und Mustaf. Eric, erklär's ihr bitte.«
»Mom, du kannst dich entspannen, es geht nicht um Geld. Wir brauchen deine diplomatische Hilfe. Saïd und Mustaf sind illegal hier. Sie haben gestern Nacht an der Laietana beobachtet, wie eine ziemlich angeturnte Frau mitten im Stau ihren Porsche stehen ließ und abtauchte. Der Schlüssel steckte, die zwei haben automatisch reagiert. Und den Verkehr wieder zum Laufen gebracht. Und da ist ihnen so ein total zugedröhnter Rucksacktourist von Down Under vor den Kühler gesprungen. Genau vor der prefectura . Jetzt sind sie im Knast und ...«
»Und sollen abgeschoben werden?«
»Viel schlimmer. Man will sie braten. Offensichtlich hat man bei dem Australier ein halbes Pfund Koks gefunden. Und im Porsche gab's auch Spuren von dem Zeug. Aber Saïd und Mustaf haben nie gedealt. Und dann auch noch so eine Menge! Nie im Leben, ich schwör's dir!« Eric packte ihre Hand.
Janet machte sich frei und zündete sich eine Zigarette an. »Eine Frage. Es ist die einzige, die mich wirklich interessiert. Was nimmst du?«
»Mom«, Eric versuchte sein süßes Kleinejungengrinsen. »Ich bin bei einer kettenrauchenden und Whisky und Gin & Tonic trinkenden Mutter aufgewachsen. Was erwartest du von deinem Sohn?!«
»Heroin?«
»Nein. Heiliges Indianerehrenwort!« Er streckte seine glatten, unversehrten, sonnengebräunten Arme vor. »Ich trinke, ich rauche, ich kiffe und ich sniffe ein bisschen, aber ich nehme nichts, was meinen wunderschönen Alabasterkörper verunstalten könnte.«
»Ach!« Janet schlug ihm hart gegen die Stirn. »Ich rede auch nicht von deinem Körper. Ich rede von deinem Hirn. Diese graue Substanz da oben in deinem Schädel, die vor Jahren einmal einen IQ von einhundertdreiundvierzig hervorgebracht hat. Eric, du bist doch nicht nur schön. Du bist sensibel, du bist begabt, und du hast mehr im Kopf als deine beiden Brüder zusammen. Sie mögen mir verzeihen. Ich will doch nur nicht, dass du alles kaputtmachst!«
Eric sah sie an, Janet schwieg erschöpft.
»Mir kommen die Tränen«, höhnte Gil.
»Halt die Schnauze«, fuhr Bertrán ihn an. Er wandte sich Janet zu. Leise, ernst: »Hören Sie bitte nicht auf ihn. Er ist ein Hitzkopf und ein dämlicher arabischer Chauvinist. Aber er ist unser Freund, und Saïd ist seine Familie. Er muss ihm helfen. Es gibt da eine Anwältin, sie ist Deutsche, aber hier zugelassen und alles. Sie arbeitet bei einem dieser großen alten berühmten Luxus-Strafverteidiger, aber in ihrer Freizeit ist sie auch für verschiedene Bürgerinitiativen aktiv. Da hilft sie Leuten ohne Geld. Und sie hat schon ein paar Illegale aus der Scheiße geholt. Wenn Sie den Ausdruck entschuldigen wollen.«
»Dann ruft doch sie an. Ich kann da gar nichts tun.«
»Gil hat bei ihr angerufen. Darum geht es ja. Sie hatte gerade keine Zeit oder so was, und da ist Macho-Gil wohl ein bisschen ausgerastet. Uns kann jetzt nur noch eine Frau retten. Diplomatisch, seriös, wortgewandt. Die sie überzeugen kann. Würden Sie das für uns übernehmen? Bitte!«
»Sie ist Deutsche. Das ist ihre Adresse«, Eric schob ihr einen biergetränkten Zettel herüber. »Dagmar Warwitz.«
16
Die Untätigkeit machte sie krank. Die Unentschlossenheit, wenn sie ehrlich war, denn Arbeit hätte es reichlich gegeben. Dagmar hatte sich innerlich dermaßen auf den Flug nach Mallorca eingestellt, dass sie Mühe hatte, wieder zur täglichen Realität zurückzufinden. Aber eins war ihr klar, wenn sie sich
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