Meines Bruders Moerderin
Bonet machte einen Schritt nach vorn, wich sofort wieder zurück. »Ach, mierda . Du hast Recht, da läuft was. Aber ich kann dir nicht helfen. Ehrlich gesagt, ich muss mich raushalten. Ich versuche, meine eigene Haut zu retten. Und ich hin ein bisschen älter als du.«
»Hab ich das jetzt richtig zwischen den Zeilen gelesen? Du meinst, es gibt eine Order von ganz oben?«
»Ich kann dir auch nicht mehr sagen.« Bonet war verlegen, er wandte sich ab.
»International? Geld? Politik? Wovor haben sie Angst? Ich will doch nur meinen Job richtig machen, ich will ein Verbrechen aufklären!« Pia sah nur noch Bonets davonschluffenden Rücken, die Schultern mehr als sonst hochgezogen.
Sie hatte verstanden. Sie war außen vor. Selbst Bonet war auf der anderen Seite. Sie griff mechanisch nach dem Telefon, als es läutete. »Brigada Criminal, Pia Cortes?«
»Glaub nicht, dass du mich mit so einem blöden Trick abspeisen kannst, Pilar. Ich bin immer noch deine Mutter.
»Ja, natürlich ...«
»Und ich lasse es nicht zu, dass du dich da als meine einzige Tochter bei Mord und Totschlag im Sumpf von Barcelona vergräbst.«
»Mutter, könntest du bitte warten, bis ich ...«
»Ich lasse es nicht zu, verstehst du. Ich mag alt und gebrechlich sein, aber ich habe immer noch genügend Geld und Einfluss.«
»Mein Gott, Mutter, du bist gerade mal vierundfünfzig, spiel hier nicht die Greisin!«
»Und dieses Geld und allen Einfluss werde ich einsetzen, um mein liebstes Kind aus dieser Hölle herauszuholen und in den Schoß der Familie zurückzuführen.«
»Mutter, ich sag's wirklich ungern, aber du kannst mich mal!« Pia knallte den Hörer auf und sprang hoch. Ihr Adrenalin kochte. Sie griff sofort wieder nach dem Hörer, um zu verhindern, dass ihre Mutter wieder anrief. Wählte.
Das Krankenhaus. Am Empfang diesmal eine Schwester Paulina. Pia wies sich aus und gab ihre Büronummer für einen Rückruf an. Aber Paulina hatte viel weniger Probleme mit der Schweigepflicht als Dolores. Nein, es gab nichts Neues von Barbara Dyckhoff. Es sah aber nicht gut aus.
Kaum hatte Pia aufgelegt, da läutete das Telefon schon wieder. Sie ließ es läuten. Stand auf und ging nach hinten, unter der Plane hindurch und durch die Tür.
Es war falsch. Pia wusste, dass sie in diesem Moment alles aufs Spiel setzte. Aber sie konnte nicht anders. Sie riss die Tür zum Konferenzraum auf, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
Sie schreckten hoch.
Sie saßen rund um den ovalen Tisch und hatten Blöcke, Stifte, Wasser, Kaffee und Kekse vor sich. Wie das Brainstorming für die Werbekampagne einer neuen Zahnpasta. Außer Calvet und Sanchez noch ein Mann und zwei Frauen. Die zweite war also doch noch eingetroffen. Keine Dolmetscherin. Für ein kleines informelles Treffen genügte Englisch.
»Wir möchten jetzt nicht gestört werden«, Sanchez sprang auf.
Pia ging auf ihn zu. Lächelte in die Runde. »Tut mir Leid. Mein Name ist Pia Cortes. Ich leite die Ermittlungen im Fall Robert Reimann.« Die Frauen lächelten zurück, der Mann sah prüfend zu Sanchez. Pia konzentrierte ihr Lächeln auf ihn. Er war erst sechsundvierzig, aber er wirkte viel älter. Untersetzt, fast kahl und dem Klima zum Trotz im englischen Nadelstreifen-Dreiteiler. Hellblaue Augen, kristallscharf hinter einer drahtdünnen Titaniumbrille. »Sie sind Paul Reimann-Lettow. Der Bruder von Robert Reimann! Halbbruder, wenn ich meine Hausaufgaben richtig gemacht habe.« Sie lachte charmant auf und übertönte Sanchez' dritten Versuch, sie zu stoppen.
Sanchez setzte sich, lächelte krampfhaft in die Runde und überlegte eine neue Strategie. Pia wandte sich an die Frauen. Beide waren sehr schön, sehr blond, sehr schlank, sehr gepflegt und elegant, und sie bewegten sich selbstsicher wie eben Leute mit reichlich Geld in der Hinterhand. Pias Mutter hätte sie sofort akzeptiert. Pia fand sie widerlich. Alle beide.
Gudrun, die erste Gattin. Zweiundfünfzig, auf Kleidergröße achtunddreißig geschrumpelt, mehrmals geliftet und tiefgrün leuchtend vor Frust und Langeweile. Sie trug schwarz, allerdings ein hauchdünnes, ärmelloses Designerschwarz. Die zweite und akute Witwe, Birgit, noch keine dreißig, prall strotzend vor fordernder Sinnlichkeit und in einem feuerroten Minikleidchen aus Seidentrikot. Lange honigbraune Beine und ein herzförmiges Gesicht mit einem strahlenden Lächeln.
Pia gab ihr als Erster die Hand. »Birgit Reimann? Es tut mir sehr Leid, dass Sie Ihren Mann auf so grausame Weise
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