Meines Bruders Moerderin
verloren haben.« Das Strahlen fiel in sich zusammen, Pia wandte sich an das schwarze Kleid. »Gudrun Reimann? Ich nehme an, Sie kannten Robert Reimann am besten. Ich würde mich gern ausführlicher mit Ihnen unterhalten.«
»Ja, natürlich, jederzeit ...« Gudruns Antwort kam fast eifrig.
»Das kommt überhaupt nicht in Frage«, schoss Halbbruder Paul dazwischen. »Ich denke, der Fall ist aufgeklärt und abgeschlossen. Die Mörderin überführt und verhaftet.
»Ja, natürlich«, Calvet sah fragend zu Sanchez, Sanchez sprang hastig wieder auf. Lächelte breit wie der Außenminister beim Nahostgipfel, bevor er versuchte, beiden Seiten gleichermaßen schönzutun.
»Danke, Pia. Sie haben großartige Arbeit geleistet. Sie und Ihre Kollegen. Nur dank Ihnen konnten wir den Fall so schnell aufklären.«
»Noch ist er aber nicht aufgeklärt. Barbara Dyckhoff ist sediert, das heißt, nicht ansprechbar. Und ihre letzte Aussage war, dass sie unschuldig ist, dass im Gegenteil Reimann versucht hat, sie zu töten. Und irgendjemand muss schließlich auch für den Tod des Unbekannten im verbrannten Ferrari verantwortlich sein.«
»Es ist gut, Pia«, Sanchez' Lächeln verkümmerte. »Der Fall ist gelöst, die Akte geschlossen. Ich erwarte Ihren endgültigen Bericht, und dann wenden Sie sich wieder den anderen Fällen zu. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
Calvet und Paul Reimann-Lettow sahen sich kurz an, Nicken. Toni grinste unverhüllt. Birgit atmete erleichtert auf, strahlte wieder, Gudrun verstand nicht ganz, war immer noch auf Pia fixiert. »Rufen Sie mich an. Ich bin noch die nächsten Tage im Claris.«
Pia lächelte und stand auf. »Danke. Entschuldigen Sie die Störung. Ich gehe, hier ist eine schnelle Lösung gefragt. Nicht die Wahrheit. Wir werden uns also vermutlich in diesem Rahmen nicht mehr begegnen. Schönen Tag noch!«
lm Hinausgehen hörte sie eine scharfe Bemerkung von Calvet zu Sanchez. »Und das lassen Sie sich bieten?!« Darauf folgte Sanchez' herzliches Lachen für feucht-fröhliche Männerabende.
Pia war wieder auf dem düsteren Flur, zog die Tür zum Büro auf und schob sich durch die Plastikplatten zu ihrer provisorischen Arbeitsecke zurück. Das hier war ihr Leben. Seit sie denken konnte, wollte sie immer nur eins werden. Polizist. Wie ihr Vater. Helfen, aufklären, die Wahrheit finden. Der Traum von der Gerechtigkeit. Es war ein langer, mühsamer Weg bis hierher gewesen.
Und hier war Schluss.
Pia sah die kümmerlichen Notizen auf ihrem Tisch durch und schaltete ihren Computer an. Sie kannte den Laden hier, und sie kannte sich. Es blieben ihr nur genau zwei Möglichkeiten: Klein beizugeben, sich zu entschuldigen und nach einem Beförderungsstau von zwei Jahren wieder da anzukommen, wo sie jetzt war. Oder ihren Prinzipien treu zu bleiben und vom Mobbing über Anschiss bis zum Disziplinarverfahren alle Möglichkeiten des Apparates zur Unterdrückung ungeliebter Wahrheiten und Personen zu durchleiden, ohne jemals aufzusteigen.
Sie konnte nur verlieren.
Pia hätte gern geweint, geheult, geschrien, aber so viel Selbstbeherrschung hatte ihr Pilar, ihre Mutter, immerhin eingebläut. Keine Gefühle zeigen. Niemals.
Sie versuchte ins Internet zu kommen. Versuchte es erneut. Wieder nichts. Das konnte passieren, das System war überlastet. Sie tippte auf Wiederwahl. Und bekam den Kasten mit der Fehlermeldung. Keine Verbindung zum Server möglich. Kennwort geändert.
Pia hatte es erwartet und doch nicht damit gerechnet. Nicht so schnell. Nicht so offen. Sie schaltete den Computer aus und begann, ihre Sachen zusammenzupacken.
24
Ein Stoppelacker im hellen Mondlicht. Zeit spielte keine Rolle mehr. Sie hatten fast zwei Monate gebraucht, um heimlich den Graben unter der Mauer hindurchzuwühlen. Barbara knickte zweimal ein, aber Dany war bei ihr und riss sie wieder hoch. Als die Sirenen aufschrillten, hatten sie den Mais erreicht. Hohe Stauden voll raschelnder Blätter. Kilometerweit. Sie krochen auf Ellbogen durch die Furchen, ohne die Pflanzen zu berühren.
Zuerst hörten sie die scharfen Kommandos, und dann kamen die Hunde. Dany hatte die Idee mit den Zwiebeln gehabt. Sie hatten ihre Schuhsohlen mit Zwiebelsaft eingerieben, aber die Hunde fanden sie trotzdem. Sie packten Dany am Bein. Dany schrie, dann rissen ihn die Wachen hoch. Sie rannte jetzt aufrecht weiter. Danys Schreie. Knappe Befehle. Das Hecheln direkt hinter ihr. Sie schaute zurück und stürzte. Die spitzen Fangzähne in ihrem
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