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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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... nicht die Ambulanz ... Portell ... aber erst ... sauber machen ... bitte!«
    Dagmar fand die Telefonnummer von Dr. Portell in einem kleinen roten Büchlein. Seine Stimme klang alt und zittrig, aber er war zu Hause und versprach, sofort zu kommen. Dagmar wusch die alte Dame, zog sie frisch an und wechselte die Bettwäsche. Dann hob sie sie hoch und legte sie ins Bett. Sie wog kaum mehr als ein zwölfjähriges Kind. Dünne Greisenarme hielten sich an Dagmars Nacken fest. »Danke!«
    Der Arzt war kaum jünger als seine Patientin. Aber er kannte sie, und er nahm sich Zeit für die Untersuchung. Dagmar packte die schmutzige Wäsche in die vorsintflutliche Waschmaschine im Badezimmer und erschrak, als die sich mit Donnern, Grollen und Rumpeln an die Arbeit machte.
    Dann ging sie in die Küche. Alles war sauber und abgewaschen. Sie setzte Wasser für Kaffee auf, holte zwei Tassen aus dem Schrank und schnitt den Rest des flachen San-Juan-Kuchens auf, den sie eine Woche zuvor für die Señora besorgt hatte. Er war staubtrocken und hart wie Zwieback.
    »Oh, das ist ja wunderbar«, der alte Arzt ließ seine abgeschabte Tasche zuschnappen und setzte sich an den Küchentisch.
    »Es ist ernst, oder?« Dagmar brühte den Kaffee auf und füllte die Tassen. Portell nahm viel Zucker. Er bemerkte ihren Blick und grinste. »Ja, sehr ungesund. Fehlt aber noch der coñac für einen richtigen carajillo .« Er nickte vielsagend zu einem der Küchenschränke, und Dagmar fand dort tatsächlich eine fast volle Flasche Magno. Sie gab einen guten Schuss in beide Tassen, der alte Arzt lachte. »Das sieht schon besser aus.« Er nahm einen langen Schluck und goss sich selbst nach. »Eine TIA , Transient ischaemic attack .«
    »Ein Schlaganfall!« Dagmars schlimmste Befürchtungen bewahrheiteten sich. Sie hatte zu viel Zeit verloren.
    »Noch nicht.« Portell nahm sich ein Stück Kuchen, hatte aber Probleme mit dem harten Hefeteig und tunkte das Stück in seinen Carajillo. »TIA ist eine Art Blockade einer inneren Kopfschlagader. Ist schon so eine Art schlaganfallähnlicher Attacke. Und auf alle Fälle ein Warnschuss.«
    »Aber dann ...«
    »Nein, nein, Sie haben sich völlig richtig verhalten. Die Señora jetzt und womöglich mit Tatütatü ins Krankenhaus zu bringen, würde sie derart aufregen, dass ein richtiger Schlaganfall vorprogrammiert wäre. Sie schläft jetzt erst mal, hier sind Tropfen, geben Sie ihr die alle vier Stunden. Und die hier alle zwei. In vierundzwanzig Stunden sollte sie wieder fit sein. Dann können wir mit ihr reden.« Er lutschte sein Kuchenstück auf. »Es bricht mir das Herz, aber sie kann hier nicht mehr allein weiterleben. Sie ...«
    »Ich bin nur die Nachbarin«, sagte Dagmar hastig und schämte sich sofort. »Ich meine, ich mag sie sehr, und ich helfe ihr auch gern, aber ich ... Sie kennen sie doch schon viel länger ... Hat sie denn keine Verwandten?«
    »Sie war nie verheiratet. Und ihre Geschwister sind alle tot. Aber doch. Da gibt es einen Neffen. Emiliano, nein, Emilio. Der Sohn ihres jüngsten Bruders. Müsste aber jetzt auch schon Mitte oder Ende dreißig sein. Ich glaube nicht, dass sie sich sehr nahe standen, aber versuchen Sie doch, ihn zu erreichen.« Portell stand auf. »Und danke für den Kaffee.« Er schnappte seine Tasche und eilte erstaunlich gelenkig hinaus in den Flur und durch die Tür, bevor sie ihn noch mehr fragen konnte.
    Dagmar las die Beipackzettel der beiden Medikamente, die Portell ihr zurückgelassen hatte. Das eine alle zwei Stunden, das andere alle vier. Das hier? Oder dieses? Oh Gott! Sie schaute auf die Uhr.
    Sah nach der Señora. Sie stöhnte leise, aber sie schlief.
    Dagmar machte sich daran, das rote Büchlein durchzublättern. Sie fand Emilio, aber die Adresse war so heftig ausgestrichen, dass an der Stelle das Papier eingerissen war. Dann begann sie den Sekretär zu durchsuchen. Es war ihr peinlich. Tut mir Leid. Aber ich muss Ihren Neffen finden. Emilio Negre. Sie sah wieder auf die Uhr und stellte sich den Eierwecker. Sie fand Bankauszüge, aus denen hervorging, dass jeden Monat zweihunderttausend Peseten oder zwölfhundertzwei Euro auf ein Konto bei der Caixa zu Gunsten eines Emilio Negre überwiesen wurden. Es gab keine Adresse und nur eine zwei Jahre alte Postkarte aus Venezuela.
    Die Eieruhr läutete. Dagmar lief mit einem Löffel und dem ersten Medikament ins Schlafzimmer. Es war einfacher, als sie befürchtet hatte. Sie zählte die Tropfen in den Löffel, schob der

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