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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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veröffentlicht?«
    »Noch nicht.«
    »Respekt!« Pia schwieg.
    Janet hatte eine Idee. »Hast du Kontakt zu Dagmar? Du weißt schon, die deutsche Anwältin.«
    »Ich hatte eine Nachricht von ihr auf Band und habe zurückgerufen. Ist nicht da. Hast du ihre Handynummer?S«
    »Ja. Ich schlage vor, dass wir drei uns noch mal zusammensetzen. Ernsthaft.«
    »Genau meine Meinung. Wann, wo?«
    »Morgen«, Janet sah auf die Uhr. »Nein, heute. Es ist schon halb zwei. Zum Frühstück auf deiner Terrasse? Ich rufe Dagmar an und bringe alle Ausdrucke mit.«
    »Wieso nicht bei dir. Du hast den Computer.«
    »Von mir aus auch bei mir. Aber ich habe das Internet wirklich bis in die hintersten Winkel durchforscht. Inklusive Bibliotheken und Pressearchive. Und du würdest meinen Kaffee nicht mögen ...« Janet lachte, Pia stimmte ein.
    »Du bist nur zu faul, den Kaffee zu kochen. Also bei mir. Wann?«
    »Zwölf, eins denke ich mal. Ich muss Dagmar ja erst erreichen, und ich weiß nicht, wann sie Mittagspause hat. Ich melde mich noch.«
    »Ich bin da.«
    » Hasta luego «, Janet legte auf.
    Pia hatte sie angerufen. Sie war erstaunlich offen gewesen. Sie kam nicht mehr an ihren Polizei-Computer. Sie hatte nichts von einem Absturz oder Stromsperre gesagt. Und sie hockte zu Hause. Sie war in ihrem Job ausgeschaltet worden.
    Janet wählte die Handynummer von Dagmar. Es meldete sich die Mailbox. »Dagmar? Hier ist Janet Howard. Es ist Dienstagnacht, zwei Uhr. Ich habe eben mit Pia gesprochen. Es gibt neue Erkenntnisse. Wir drei müssen uns treffen. Dringend. Vorläufiger Termin heute, Mittwochmittag bei Pia. Ruf mich oder sie an.«
    Janet füllte ihren Drink neu auf und ließ Ashkenazy das Klavierkonzert Nr. 3 von Rachmaninov spielen. Allegro ma non troppo. Sie ordnete die Computerausdrucke und kopierte sie. Als es läutete, war sie überzeugt, dass es nur Bonet sein konnte.
    Es war Eric. Er stürmte an ihr vorbei, nahm sie erst im zweiten Rückblick wahr. Grinste. »Sorry, nur dein Sohn.«
    »Ja, wirklich sorry. Du siehst verdammt noch mal viel besser aus als alles, was ich je um die Uhrzeit noch erwarten könnte.«
    »Du aber auch. Und du riechst wie eine Pfirsichsangria.«
    Eric wollte sie küssen, sie umarmte ihn kurz. Diese plötzlichen Zärtlichkeitsanfälle irritierten sie. »Danke, sehr schmeichelhaft. Einen Drink?«
    »Ja, von mir aus, aber mir geht es um meine beiden Freunde. Du erinnerst dich?«
    »Ja sicher, ich bin ja nicht senil. Saïd und Mustaf. Ich habe die Anwältin erreicht. Dagmar Warwitz, sie ist absolut top, sie arbeitet mit Jaime Bartolo Fusté zusammen. Sagt dir der Name etwas? Das ist einer der größten Strafverteidiger der Stadt. Und sie übernimmt den Fall.«
    »Ehrlich?« Eric sah sie mit einem Blick so tiefer Liebe und Bewunderung an, wie sie ihn nicht mehr erlebt hatte, seit er acht war.
    »Ja, ganz ehrlich!« Janet sah sein schönes Gesicht, sah das zaghafte Lächeln, sah die Erleichterung, die Dankbarkeit und die Liebe. Sie machte einen kleinen Schritt auf ihn zu, noch einen. Umarmte ihn etwas ungeschickt und drückte ihn an sich.

26
    Das fein geschnittene Gesicht war so bleich wie die vergilbten Kissen. Braune Altersflecken auf der runzligen Haut. Die blau geäderten Lider zuckten, die eingefallenen Lippen mümmelten leer. Sie schlief. Endlich.
    Dagmar streckte ihren krummen Rücken auf dem unbequemen Schaukelstuhl, aber das laute Knarzen ließ sie sofort wieder innehalten. Sie sah auf die Uhr. Fünf nach halb sieben. Selbst, wenn dieser Neffe, Emilio Negre, nicht sofort losgefahren war. Allmählich musste er da sein. Von Girona hierher konnte er doch um die Tageszeit nicht viel mehr als eine Stunde brauchen. Und sie hatte ihn kurz vor fünf angerufen.
    Sie stand vorsichtig auf und reckte sich. Sie mochte die Señora. Und sie hatte ein schlechtes Gewissen. Sie hatte sich in der letzten Zeit kaum um sie gekümmert, und als sie heute am späten Abend heimgekommen war, hing da immer noch derselbe gelbe Zettel wie am Morgen. Wie schon seit Tagen. An genau derselben Stelle. Und sie war nicht mal sofort in die Nachbarwohnung gegangen. Zuerst hatte sie ihre Einkäufe in die Küche gebracht und den Anrufbeantworter nach einer Meldung von Manel abgehört. Erst dann war sie hinübergegangen.
    Die alte Dame lag auf dem Boden neben ihrem Bett, das heruntergerissene Telefon an sich gekrampft. Sie hatte sich beschmutzt, aber sie war bei Bewusstsein und ansprechbar. Sie weinte, als Dagmar sich über sie beugte. »Bitte

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