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Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Titel: Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wibke Bruhns
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Natürlich war er Mitglied im »Magischen Zirkel«, einer landesweiten Vereinigung deutscher Amateur-Zauberer, die sich innerhalb der Zunft mit »hollahoppla« begrüßten.
    Er gehörte zum Luftflottenverein Halberstadt und zum Magdeburger Verein für Luftschiffahrt, mit deren Ballons und in Begleitung vieler Honoratioren er über den Harz fuhr und im Juni 1911 immerhin eine erfolgreiche Nachtfahrt von Halberstadt bis nach Torgau unternahm. Er war Vorstand im Airdale-Verein, und seine Hunde waren preisgekrönte Zucht-Rüden. Es wurden die großen Harz-Ritte von ihm veranstaltet und die ungezählten Jagden im Herbst. Kurt war Vorsitzender oder Stellvertreter in genealogischen Vereinigungen, und wenn sich später die Laudationes für ein Vierteljahrhundert emsiger Tätigkeit in irgendeiner Handelskammer oder einem der vielen Verbände häufen, wird mir schwindelig, wenn ich darüber nachdenke, wie ein Mann neben Firma, Frau und vier Kindern für alles dieses Zeit und vor allem Lust erübrigte.
    Bei Kurt macht das Sinn. Ich sehe bei ihm kein Protest-Potential. Statt dessen spüre ich die Dringlichkeit in seinem Bedürfnis nach tätiger Zugehörigkeit zur kaiserlich-wilhelminischen Gesellschaft. Die gab es auch weit weg von Berlin in Halberstadt. Wichtigster Schlüssel dazu war die Armee. Kurt ist der erste Klamroth, der gedient hat, und wenn ich mir früher die albernen Fotos des Großvaters in seiner weißen Gala-Uniform ansah, die schnörkelig handgeschriebenen, mit königlich-preußischen Siegeln verzierten »Besitzzeugnisse« für seine vielen Auszeichnungen, dann habe ich immer gedacht, der hatte einen Knall.
    Man mußte nämlich nicht. Die allgemeine Wehrpflicht in Preußen war so allgemein nicht. Der Adel, die höhere Beamtenschaft, das Lehrpersonal an den Universitäten, aber auch die Einwohner größerer Städte waren befreit. Kaufleute und Fabrikanten, deren Vermögen 10 000 Reichstaler betrug – das sind im Kaiserreich 30 000 Mark, etwa Kurts Portokasse – durften ebenfalls zu Hause bleiben. Man konnte aber. Wo für die nachgeborenen Söhne des Adels das Berufs-Militär gesellschaftlich nahezu Pflicht war – was sollten die sonst auch machen, wenn der Älteste den Landbesitz geerbt hatte? –, mußten die Söhne des gehobenen Bürgertums allerdings einiges investieren, um zugelassen zu werden. Sofern sie die Obersekunda-Reife hatten, gab es die Möglichkeit, sich als »Einjährig-Freiwillige« zum Offizier der Reserve ausbilden zu lassen. Dafür verpflichtete man sich, für Unterbringung, Verpflegung, Bekleidung und Ausrüstung selbst aufzukommen. Ich wüßte gern, was Papa Gustav dafür bezahlt hat.
    Denn Kurt diente nicht irgendwo, sondern bei den Halberstädter Kürassieren – genauer: in der 3. Eskadron des Königlich-Preußischen Kürassier-Regiments von Seydlitz (Magdeburgisches) Nr. 7, das 1815 eingerichtet worden und dessen Chef in seinen letzten Jahren der alte Fürst Bismarck war. Zu dessen 80. Geburtstag 1895 ist Kurt andächtig in Friedrichsruh dabei, als Kaiser und Regiment dem alten Herrn ihre Aufwartung machen.
    Aber einmal Andacht macht solchen Aufwand nicht wett: Pferde, Gala-Uniformen, Kasino-Besuche, Waffen – alles mußte bezahlt werden. Selbst mit der Lanze zu kämpfen, hat der junge Mann gelernt – er wird sie mit eigenem Geld gekauft haben. Wozu also? Weil die jungen Leute, waren sie einmal zum Leutnant befördert – auf Kurts Verlobungsanzeige (endlich!) hieß das noch »Sekond-Lieutenant der Reserve« – mittels dieses militärischen Dienstgrades den Anspruch auf den Titel »Hochwohlgeboren« hatten, der sonst den Adligen vorbehalten war.
    Das war nicht lächerlich. Während der Antrittsbesuche als seines Vaters Juniorpartner auf den anhaltinischen Gütern – wir sind im Jahr 1896 – wird Kurt zum Beispiel von »den feinen Herren Baronen auf Berssel und Stötterlingenburg auf sehr rüpelhafte Weise« abgewiesen, als er die Karte »der altehrwürdigen Firma I. G. Klamroth« abgibt. Zornbebend schreibt er an Gertrud: »Hätte ich statt dessen die lumpige Reservelieutenant-Karte vorgezeigt, hätten sich die Thüren willig geöffnet«.
    So war das. Die Kaufleute saßen zwischen den Stühlen von Adel, Akademikern und Offizierskorps, und selbst ein »lumpiger Reservelieutnant« galt etwas. Fontane sagt: »Das Hauptidol, der Vitzliputzli des preußischen Cultus ist der Leutnant, der Reserveoffizier« und Carl Zuckmayer läßt in seinem »Hauptmann von Köpenick« den

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