Meistbietend ersteigert
er ist die Sorte Mensch, die trotz seiner sozialen Ader und seinem Herz für Menschen, die weniger Glück im Leben hatten, ein Mann, der eiskalt über Leichen geht, um seine Ziele zu verfolgen. Eine dieser Leichen bist du.“
Jens sah ihn mit großen Augen an.
„Das war einer der Gründe, warum ich dich endlich einmal kennenlernen wollte“, verkündete Eduard weiter. „Ich beobachte eure Familie schon seit einiger Zeit, nicht zuletzt, weil dein Vater ständig bei uns anklopft, um für irgendwelche Aktionen zu betteln. Ich bin niemand, der Bedürftigen die Hilfe verweigert. Wir können es uns leisten und es ist eine wirkungsvolle PR-Waffe, wenn wir uns für soziale Zwecke einsetzen. Aber bei dieser Aktion hier geht es mir allein um dich.“
„Warum?“, wollte Jens wissen. In seinem Inneren brodelte es gefährlich heiß. Er konnte nicht sagen, ob es die Angst war, die in ihm zu kochen begann, oder etwas anderes. Das unruhige Zittern hatte ihn vollends eingenommen. Er ballte seine Hände zu Fäusten, um es zu unterdrücken, umklammerte das Frühstücksmesser fest, sodass die Knöchel weiß hervortraten. Das Brötchen gab knirschende Geräusche von sich, als er es fast zerdrückte.
„Weil ich wissen will, wer du wirklich bist“, gestand ihm Eduard. „Ich will den wahren Jens kennenlernen. Du versteckst dich bereits dein Leben lang hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit und Scheu. Ich will dahinterblicken und dein wirkliches Gesicht sehen.“
„Da ist keine Maske“, wagte Jens einen kläglichen Widerspruch.
Eduard beugte sich leicht über den Tisch. „Und ob da eine ist. Du verbirgst etwas.“
„Was soll das sein?“ Mürrisch legte Jens das Messer auf den Tisch und sah ihn trotzig an.
Ein kaltes Lächeln umspielte die Mundwinkel des Hausherrn. Er lehnte sich wieder zurück, ohne den Blick von Jens zu nehmen.
„Du bist schwul“, erklärte er schließlich ernst.
Jens sprang auf seine Beine. Der Stuhl kippte um und landete krachend auf dem Boden.
„Du spinnst!“, stieß er wütend hervor, wirbelte herum und marschierte davon.
Eduard rief ihm nach, doch Jens flüchtete Hals über Kopf in das Zimmer zurück, das ihm zur Verfügung gestellt worden war. Er hätte auch aus dem Haus rennen können, doch seine Füße führten ihn direkt in das Gästezimmer. Die Tür knallte laut hinter ihm ins Schloss. Er warf sich auf das Bett, drückte sein Gesicht in das Kissen und brüllte voller Wut und Schmerz.
Eduards Aussage hatte etwas in ihm berührt, das lauthals losgeschrien hatte, als würde ihm diese Berührung unerträgliche Schmerzen verursachen. Er konnte selbst nicht sagen, warum das so war und warum ihn diese Aussage so sehr zusetzte.
Er war auf keinen Fall schwul. Nie im Leben.
Er hatte Sex mit Frauen gehabt, mehrmals, auch wenn er insgeheim zugeben musste, dass er jedes Mal das gewisse Prickeln vermisst hatte. Es war dennoch richtiger Sex gewesen, körperlicher Kontakt mit Frauen, mit denen er es getrieben hatte. Oft war es einfach nur so dazu gekommen. Manchmal glaubte er, sich in das Mädchen verliebt zu haben, oder sie in ihn, doch es war nie etwas Größeres draus geworden. Er hatte eben noch nicht die richtige Frau gefunden, die sein Herz so berührte, dass es Überschläge machte, wenn sie ihn ansah. Er war ja auch noch jung und das ausschweifende Liebesleben stand ihm erst noch bevor. In der zwölften Klasse war er vier Monate mit einem Mädchen aus der Parallelklasse gegangen. Ein einfacher Beweis dafür, dass er nicht homosexuell sein konnte. Eduard irrte sich gewaltig. Er narrte ihn, verarschte ihn wahrscheinlich, machte sich über ihn lustig.
Das passte zu einem reichen Schnösel wie Eduard. Für ihn war diese Aktion nur ein Spaß. Er hackte genauso auf ihm herum, wie die Mitschüler aus der Schule früher, die ihn im Pausenhof herumschubsten und seinen Rucksack ausleerten, nur weil er sich nicht mit ihnen prügeln wollte.
Jens schrie vor Wut in das Kissen, bis er heiser war und seine Kehle brannte. Er wusste schon, warum er sich in Eduards Nähe stets unwohl gefühlt hatte, warum sein Puls nach oben ging, wenn er nur dessen Stimme hörte und warum es ihm heiß und kalt wurde, wenn er ihn mit diesen glänzenden dunklen Augen ansah.
5.
Irgendwann ließ ihn ein Poltern an der Tür hochfahren.
„Jens? Die Presse ist in fünf Minuten da. Es wäre schön, wenn du herauskommen würdest, damit wir kurz abklären, wie es weitergeht.“ Eduards Stimme klang leicht
Weitere Kostenlose Bücher