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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
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hätte. »Das habe ich schon.« Sie ging in die Hocke und nahm meine Hände. »Wir finden bestimmt einen hübschen Ort für dich.«
    »Für mich?«
    »Es gibt ein paar gute Pflegeheime in Bayern.«
    Ich zog meine Hände weg. »Ich lebe seit fast vierzig Jahren in Sankt Helena!«
    »Du kannst nicht hierbleiben. Wie sollen die Schwestern einen Mann in ihrer Mitte tolerieren, der eine von ihnen geschwängert hat?«
    »Weiß ich nicht«, sagte ich und registrierte einen beleidigten Ton in meiner Stimme, der mir nicht gefiel. »Aber das ist auch mein Kind.«
    »Julius«, selbst für ihre Verhältnisse sprach sie mit beunruhigend wenig Gefühl, »willst du dieses Kind großziehen? Willst du es wickeln? Es füttern? Mit ihm Hausaufgaben machen?«
    Ich sagte: »Nein.«
    »Ich auch nicht«, sagte Alfonsa und setzte sich auf die Stufen zum Eingang, lehnte sich zurück, stützte sich auf die Ellbogen und blickte zum Himmel. Plötzlich kam sie mir nicht mehr so jung und unerfahren vor. »Früher einmal, ja. Aber wenn ich etwas gelernt habe, dann, dass ich wirklich keine Mutter sein sollte.«
    »Abtreibung?«, fragte ich.
    »Adoption«, sagte sie.
    Ich fühlte mich auf einmal sehr alt und langsam. »Du wirst es einfach so weggeben?«
    »Ihn. Ich werde ihn weggeben«, sagte sie. »Wir kriegen einen Sohn.«
    »Einen Sohn«, sagte ich mehr zu mir als zu ihr.
    Alfonsa stand auf und klopfte ihren Umhang ab.
    »Warte«, sagte ich. »Vielleicht gibt es noch einen anderen Weg.«
    Sie sah mich stumm an.
    »Weißt du«, fragte ich, »was ein Liebster Besitz ist?«
     
    Am 5.   April 1983   – während ich in meinem neuen, deutlich bescheideneren Zimmer auf dem Zwirglstein lag, die Rigipsdecke über mir anstarrte und nach Jahrzehnten wieder begann, an meinem Ellbogen zu kratzen   – wurde unser Sohn geboren. Die Krankenstation von Sankt Helena war apfelblütenweiß. Den einzigen Kontrast bildete das scharlachrote Köpfchen unseres Sohnes, ein Blutstropfen im Schnee. Eine seiner Stirnfalten war so tief, als hätte er neun Monate lang gegrübelt, wann und wie er endlich diesen Bauch verlassen könnte. Wegen dieser Denkfalte nannte Alfonsa ihn Albert. Ihre geröteten Wangen konnten mit seinen Engelsbacken nicht konkurrieren. Und Albert, unser Albert, schrie nicht, denn dafür gab es überhaupt keinen Grund. Schließlich befand er sich bei seiner Mutter, am sichersten Ort der Welt.

TEIL IX
     

Von Müttern und Vätern
     
     
     

Alfonsa
     
    Albert ging langsam auf Alfonsa zu, und während er auf sie zuging, sagte er sich, dass er auf die Frau zuging, die ihn zur Welt gebracht hatte; er versuchte, jene Frau in ihr zu sehen, in ihrem Blick Anzeichen dafür zu erkennen, aber sosehr er sich bemühte, es gelang ihm nicht. Vor ihm stand Schwester Alfonsa.
    Er stoppte, bevor er auf ihren Schatten am Boden trat; er suchte nach Worten; er fand keine.
    Alfonsa ging zu den Aufzügen und drückte den Knopf. »Ich möchte dir jemanden vorstellen.«
    Albert rührte sich nicht von der Stelle.
    »Wir sind fast da«, sagte sie.
    »Wieso?« Er hob den Blick. »Wer lebt hier?«
    »Wirst du gleich sehen.«
    Nun trat er auf ihren Schatten und sagte: »Fred geht’s nicht gut.« Und eilte, damit sie seine Tränen nicht bemerkte, auf den Ausgang zu.
    »Er ist nicht dein Vater«, rief Alfonsa ihm hinterher und sicherte ihnen damit die Aufmerksamkeit des Rentnerpaars am Kiosk, das über seine Wanderkarte hinweg die beiden beobachtete.
    Albert blieb stehen und tat so, als würde er sich an der Stirn kratzen, um die Tränen unauffällig wegzuwischen.
    Die Aufzugtüren öffneten sich mit einem hellen Pling.
    »Komm«, sagte Alfonsa. »Ich hab auch ein Taschentuch für dich.«
     
    Der Aufzug war zu klein für sie beide. Albert lehnte Alfonsas Taschentuch ab und drückte sich in eine Ecke und fixierte ein blassgelbes Laubblatt am Boden, das an der Seite eingerissen war und einem aufgesperrten Schnabel glich. Er bemühte sich, nicht daran zu denken, dass Alfonsa die Frau war, nach der er ein Leben lang gesucht hatte.
    »Wird das«, sagte er und musste sich räuspern, »wird das lange dauern?«
    »Fred hält es auch ein paar Minuten ohne dich aus.«
    »Er braucht mich.«
    »Ich glaube, es ist eher andersherum.«
    Albert trat auf das Blatt am Boden und zerrieb es mit der Ferse. »Ich habe ihn nie als Vater gesehen.«
    »Nur weil du ihn nie so genannt hast, bedeutet das nicht, dass du ihn nicht so gesehen hast.«
    Albert wusste nicht, was er darauf erwidern

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