Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
Vom Netzwerk:
Trottoir. Albert umklammerte seinen Schminkklappspiegel, kniete sich neben Fred und überprüfte seinen Puls: Schwach. Klondi packte Albert am Kragen und trug ihm auf, sich nicht von der Stelle zu rühren, ehe sie zum nächsten Haus am Straßenrand eilte. Violet wischte sich Tränen aus dem Gesicht, rannte zurück zum Beetle, startete den Motor, und Albert rief: »Hey!«
    »Was ist?«, fragte Fred. Seine Stimme war gedämpft, als spreche er durch eine dünne Membran zu ihm.
    »Ruhig.« Albert legte eine Hand auf seine Brust und spürte warme Feuchtigkeit. »Nicht reden.«
    »Werde ich tot?«
    »Nein.«
    »Ich muss noch tschüss sagen.«
    »Musst du nicht, musst du noch gar nicht«, sagte er und sah, dass Violet die Reifen nach rechts stellte. Es gab einen Schlag, als sie auf den Bordstein trafen. Der Wagen blieb schräg auf dem Bürgersteig stehen.
    Hitze drückte sich gegen Alberts Seite: Klondi war zurück und nickte in Richtung eines Reihenhauses, dessen Vordertür offenstand. Sie griff Fred unter die Arme: »Los!«
    Schnaufend und mit trippelnden Schritten trugen sie Fredzum Eingang. Albert hatte Freds rechten Arm über seine Schultern gelegt, die Muskeln seiner Oberschenkel zitterten. Klondis Atem rasselte. Violet bemühte sich, sie zu unterstützen, bekam Fred aber nicht richtig zu fassen.
    Fred sagte, er sei schmutzig.
    Kurz bevor sie die Türschwelle erreichten, kam ein Mann aus dem Haus auf sie zu. Er trug Jeans und ein unbedrucktes weißes T-Shirt , das mit seiner Sonnenstudiobräune kontrastierte. Klondi und Albert wollten Fred weitertragen, doch er strampelte und löste sich aus ihrem Griff und prallte auf den Boden. Mehr Blut rann aus seiner Nase, er wischte es mit dem Hemdsärmel ab. »Nicht da rein!«
    »Wieso nicht?«, fragte Klondi.
    »Das ist ein fremder Mann!«
    Klondi, die sich mit einem Arm an der Hauswand abstützte und nach Luft rang, sah Albert fragend an.
    »Was ist dein Problem?«, sagte der Mann und baute sich vor Fred auf, der wiederholte: »Das ist ein fremder Mann!«
    Violet lachte, wie man lacht, um eine Situation zu entschärfen; sie näherte sich dem Mann und flüsterte ihm ins Ohr. Er betrachtete Fred, Violet, wieder Fred, und seine Stirnfalten glätteten sich, und er ging in die Hocke und reichte Fred seine Hand. Ein gelbzahniges Lächeln: »Mein Name ist Clemens.«
    Fred schüttelte den Kopf in Zeitlupe.
    »Gib ihm die Hand«, befahl Albert. »Sofort.«
    Zu Alberts Erstaunen folgte Fred der Anweisung. »Ich bin Frederick Arkadiusz Driajes!«
    »Wovor hast du also Angst?«
    Fred schnaubte. »Ich habe nie Angst!«
    Mit einer einladenden Geste deutete Clemens auf den Hauseingang: »Na dann.«

Alles okay
     
    Clemens, Klondi, Violet und Albert tranken Zitronentee an einem ovalen Plastiktisch. Die Küche erinnerte Albert an Abbildungen in Einrichtungskatalogen   – sie war zu einheitlich, zu sauber. Keine Kaffeeflecken, keine an die Wand gepinnten Privatfotos von Hochzeiten oder Gewerkschaftsfeiern, keine abgeschlagenen Kanten oder herumliegenden Notizzettel oder, was das betraf, Fenster mit Zorro-haften Initialen. Selbst Albert, mit seinem dürftigen Früher, hätte einer Küche mehr Wärme einhauchen können.
    »Leben Sie allein?«, fragte Albert.
    Clemens schlürfte seinen Tee lauter als nötig. »Ist das so offensichtlich?«
    Hinter der Tür zum Wohnzimmer, einer sofa-, bücher- und pflanzenfreien Zone, die selbst für einen Junggesellen ausgesprochen unpersönlich war, schlief Fred auf zwei länglich angeordneten Luftmatratzen, da Clemens’ Bett sich als zu kurz herausgestellt hatte. Die Empfehlung des Gemeindearztes   – ein Mann Anfang fünfzig, dessen Bart und Augenringe ihn zu einem Mann Ende sechzig machten   – hatte Albert zunächst für Selbstdiagnose gehalten: Ruhe. Sollten sie Fred nicht zumindest ins Krankenhaus bringen? Sollten sie ihn nicht an den Tropf anschließen und ihm Vitamine spritzen? Seinen Puls überwachen? Die Antwort des Gemeindearztes: »Das könnten Sie.« Albert hatte noch nie jemanden mit so viel Nachdruck
aber
sagen hören, ohne das Wort in den Mund zu nehmen. Sein Gedächtnis zitierte Dialogfetzen von Vorabend-Krankenhausserien des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, die Violets Vater produziert hatte:
Aber machen Sie sich keine
Hoffnung.   – Aber genießen Sie die Zeit mit ihm, die Ihnen bleibt.   – Aber sehen Sie ihn doch an.   – Aber versuchen Sie, sich zu beruhigen.   – Aber treffen Sie Vorbereitungen.   – Aber teilen Sie

Weitere Kostenlose Bücher