Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)
ihm mit, was Sie ihm immer sagen wollten. – Aber akzeptieren Sie den Lauf der Dinge.
Clemens deutete Richtung Wohnzimmertür: »Wenn ich fragen darf: Wie nennt man das, was er hat?«
Albert antwortete, was er immer auf diese Frage antwortete: »Fred ist einfach Fred.«
»War er schon immer so?«
»Ja«, sagte Albert genervt, »ja«, und spritzte Tee auf den Küchentisch, als er seine Tasse abstellte.
»War doch nur eine Frage«, nuschelte Clemens.
Klondi schlug vor, rauchen zu gehen, und Albert, der schon seit einer Weile Lust auf eine Zigarette verspürt hatte, lehnte ab. Violet, die Nichtraucherin, begleitete Klondi dagegen äußerst bereitwillig nach draußen.
Clemens umfasste seine Teetasse mit beiden Händen. »Denken Sie bitte nicht, ich würde nicht sehen, dass Sie das alles total stresst. Sind Sie mit ihm verwandt?«
»Er ist mein Vater.« Selbst in seiner gereizten Stimmung registrierte Albert, wie ungewohnt leicht ihm diese Worte über die Lippen kamen.
»Das tut mir leid«, sagte Clemens.
»Wieso?«
»Wieso was?«
»Wieso tut es Ihnen leid? Wieso sagt das immer jeder?«
Clemens lehnte sich zurück und hielt die Tasse schützend vor seine Brust. »Weil es bestimmt nicht leicht ist.«
»Und warum tut das Ihnen leid? Es ist doch nicht Ihre Schuld, oder? Sie haben nichts damit zu tun, Sie wissen nichteinmal, wie es ist – leicht oder schwer oder was-auch-immer. Sie haben keinen blassen Schimmer.«
Albert dachte nicht zum ersten Mal, dass Leute nur deshalb sagten, es täte ihnen leid, weil sie sich freuten. Sie drückten damit aus, wie heilfroh sie waren, nicht in derselben Scheiße zu stecken. Leute wie Clemens, die allein in einem hässlichen Reihenhaus wohnten und sich wünschten dazuzugehören, wie alle anderen ihre Mädchen in Pink zu kleiden und ihre Jungs in Himmelblau und an Wochenenden Schrauben in ihrer Garage zu sortieren; jemand wie Clemens war heilfroh, dass endlich mal ein Mensch vorbeikam, dessen Leben noch beschissener war als sein eigenes, und das zelebrierte er mit einem dämlichen Tut-mir-leid.
»Mein Vater ist auch krank«, sagte Clemens. »Parkinson.«
Albert schloss die Augen und ließ den Kopf sinken. »Jetzt halten Sie mich wahrscheinlich für einen Idioten.«
Clemens stellte die Tasse ab, drehte sie ein Stück gegen den Uhrzeigersinn: »Stimmt. Aber ich versteh das. Jemand, den Sie lieben, stirbt.«
Und damit verließ er die Küche. Seine Direktheit hatte etwas erschütternd Klares. Weil Fred starb, ging es Albert nicht gut. So einfach war das.
Kurz darauf kam Violet zurück.
»Hey«, sagte sie.
»Hey«, sagte er.
»Alles okay?«
Albert nickte und sah, als er Tränen in seinen Augen spürte, schnell in seine Teetasse. »Klar.«
Eine weiche Hand berührte seinen Nacken, und Albert drehte sich langsam zu ihr um. Sie umarmten sich. Albert hielt sich an ihr fest, er hatte sich noch nie an jemandem festgehalten,und er konnte sich nicht entsinnen, wann sich zum letzten Mal etwas so gut angefühlt hatte, und er weinte und machte Geräusche, die er nicht kannte, die aus ihm herausflossen und ihm Angst einflößten, und er hielt Violet noch fester.
Wohin?
Im Zwielicht war selbst das Sonnengelb des Beetle bloß hellgrau. Fred saß zusammengekauert auf dem Rücksitz, in Wolldecken gewickelt, die ihnen Clemens gegeben hatte, und sein Kopf ruhte auf Klondis Schulter, die ein Schlaflied summte. Violet stand in der geöffneten Fahrertür und beobachtete über den Wagen hinweg Albert, der Clemens zum Abschied die Hand gab. »Danke für alles.«
»Passen Sie gut auf ihn auf.«
Albert suchte nach Worten, die eines Abschieds würdig waren, doch ihm kam nichts Besseres in den Sinn als: »Ja.«
Clemens deutete in Richtung Fred. »Ihre Mutter ist bestimmt stolz, dass Sie sich so um ihn kümmern.«
Wieder kramte Albert in seinem Kopf nach einer angemessenen Antwort – und wieder musste er sich zufriedengeben mit: »Ja.« Aus dem Augenwinkel sah er Violet zum Aufbruch drängen: Sie bewegte Mittel- und Zeigefinger wie eine Schere.
Einige Abschiedsfloskeln später war Clemens zurück in seinem Haus und Albert saß auf dem Beifahrersitz.
»Kinder«, sagte Klondi, »wir müssen jetzt entscheiden, wo es hingeht.«
Albert fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Vielleicht sollten wir umkehren.«
»Nein!«, rief Fred. »Nein, wir müssen zu der Kirche!«
Albert drehte sich zu ihm um. »Dir geht’s nicht gut. Und ich will nicht, dass dir etwas passiert, weil
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