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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
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überaus optimistische Einschätzung, wie sie inzwischen wusste. Wenn Violet morgens das Büro betrat und gefragt wurde, wie es ihr ging, und sie »Nicht so gut« antwortete, reagierten ihre Kollegen darauf immer gleich: »Schön! Mir auch!« Violet wünschte, das wäre sarkastisch gemeint. Natürlich vermisste sie die alte Violet, die gegen alles von weit rechts und links und oben rebellierte, aber sie stellte auch fest, wie viel einfacher es war, zu protestieren und das Richtige zu tun, wenn einem die Eltern die IC E-Fahrkarte zur Demobezahlten. Nach Feierabend bildete sich regelmäßig eine Mitarbeitertraube, achtzig Prozent davon Praktikanten, um einen Mac und beklatschte einen der Werbespots   – abgesehen von Violet, deren Begeisterung für Cappuccinoreklame, in der Seeungeheuer und Cowboys vorkamen, sich in Grenzen hielt. Deshalb war sie vergangene Woche zum Produzenten zitiert und von diesem aufgefordert worden, mehr Enthusiasmus an den Tag zu legen. Also antwortete sie morgens nun immer: »Total super!«
    Ein Mercedes hinter ihr hupte. Sie trat auf die Bremse und wollte auf Drive schalten, aber ihre Hände zitterten. Das kam hin und wieder vor. So konnte sie nicht weiterfahren. Sie stieg aus und tankte, um Zeit zu gewinnen. Im
Snack Shop
wanderte sie die Regale entlang, ohne irgendetwas zu kaufen. Sie bezahlte mit Kreditkarte und beugte sich beim Unterschreiben tief über den Zettel, damit der Tankwart ihr Zittern nicht bemerkte. Ihre Unterschrift konnte sie selbst nicht lesen. Violet ging zurück zum Wagen und sagte wieder »Violet!« und atmete tief durch und setzte sich hinters Steuer, startete den Motor und reihte sich in den Verkehr ein. Bei der übernächsten Ampel begann der Jeep zu ruckeln. Sie musste das Gaspedal durchtreten, damit er zumindest rollte. Mitten auf der Kreuzung soff der Motor ab und der Wagen blieb stehen. Sie drehte den Schlüssel, die Lichter der Anzeige leuchteten auf, der Motor hustete. Violet beschlich das ungute Gefühl, sie hätte besser Diesel statt Bleifrei tanken sollen. Scheinwerferpaare kamen auf sie zu und wuchsen und blendeten auf. Ein Hupkonzert. Auszusteigen wagte sie nicht. Da kitzelte ein leiser, heller Ton ihr Ohr. Sie schüttete ihre Handtasche auf den Beifahrersitz aus und bekam das vibrierende Handy zu fassen und las:
Albert
.
     
    »Das mit dem Segelflugplatz tut mir wirklich leid.« Albert schluckte und ging in die Hocke, um auf Violets Augenhöhe zu sein. »Hör zu, ich brauche deine Hilfe. Ich muss nach Helena.«
    »Und?«
    Albert holte Luft. »Ich wollte dich fragen, ob du uns fährst.«
    »Uns?«
    »Fred und mich.«
    Violet sah ihm in die Augen und er machte einen Schritt rückwärts. »Nehmt einen Bus!«
    »Du weißt, das macht er nicht mit.«
    »Dann lass ihn hier!«
    »Das geht nicht.«
    »Wieso nicht? Ich meine   …« Sie lehnte sich aus dem Fenster und ihr Haar fiel ihr ins Gesicht und sie wischte es beiseite. »Wieso nicht? Wie weit weg kann dein Helena schon sein? Vier Stunden mit dem Auto? Fünf? Was hält dich davon ab, Fred so lange allein zu lassen?«
    Mit einem stotternden Gummibremsgeräusch setzte die Propellermaschine hinter ihnen auf, und im selben Moment, als Albert zu erzählen begann, hielt er zwei Finger hoch.

Man wird nicht immer tot
     
    Der Himmel probte das Für und Wider von Regen und Sonnenschein. Der New Beetle folgte einer Landstraße durch dichten Nadelwald. Violet schnitt nicht ganz unabsichtlichso manche Kurve. Insbesondere immer dann, wenn Klondi auf dem Rücksitz hinter ihr theatralisch aufstöhnte oder etwa fragte, wie lange Violet schon ihren Führerschein besäße, denn das sei ja ein noch nicht ganz ausgereifter Fahrstil. Worauf Violet, fast ohne die Lippen zu bewegen, antwortete: »Man wird nicht immer tot.« Das Argument stammte von Fred, der sich geweigert hatte, mit Albert und Violet nach Sankt Helena aufzubrechen, solange Klondi sie nicht begleiten durfte: »Man wird nicht immer tot. Aber wenn ich tot werde, dann muss Klondi auch da sein.«
    Das war ein Moment gar nicht nach Alberts Geschmack gewesen; zu viert hatten sie sich in Freds Garten gegenübergestanden und keiner hatte gesagt, was jeder (außer Fred) gedacht hatte:
Muss ich mit denen fahren?
Albert hatte den Schminkklappspiegel festgehalten, als Klondi auf Violet zugegangen war und sie sich die Hand gereicht hatten. Eine wechselseitige, natürliche Abneigung war seitdem zu spüren gewesen, und diese verdichtete sich nun im Innenraum des Beetle. Obwohl

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