Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
930 Meter) anhaften konnte.
Nach Beendigung seiner Arbeit wollte er sich eben auf das Deck begeben, als sich die Thüre seiner Cabine öffnete.
Kamylk-Pascha trat herein.
»Hast Du Dein Besteck vollendet? fragte er.
– Ja, Excellenz.
– Gieb es her.«
Der Kapitän reichte ihm ein Blatt Papier mit seinen Berechnungen.
Kamylk-Pascha durchmusterte es so aufmerksam, als wollte er seinem Gedächtniß die Lage des Eilandes einmeißeln.
»Du wirst dieses Papier sorgsamst aufbewahren, ermahnte er den Kapitän. Was aber das Logbuch betrifft, in das Du seit fünfzehn Monaten unsre Fahrten eingetragen hast…
– Das Journal, Excellenz, wird nie jemand zu Gesicht bekommen….
– Und um dessen ganz sicher zu sein, wirst Du es augenblicklich vernichten….
– Wie Sie befehlen, Excellenz.«
Der Kapitän ergriff das Logbuch mit den Aufzeichnungen über die verschiedenen Richtungen, denen die Brigg-Goulette in so vielen Meeren gefolgt war, zerriß es und verbrannte die Stücke an der Flamme einer Schiffslaterne.
Kamylk-Pascha und der Kapitän begaben sich hierauf nach dem Oberdeck und verweilten hier noch einen Theil des Tages.
Gegen fünf Uhr des Nachmittags stiegen am westlichen Horizonte Wolken heraus. Durch die schmalen Risse zwischen denselben schoß die versinkende Sonne ihre Strahlenbündel, die das Meer mit goldnen Flittern bedeckten.
Kapitän Zo erhob den Kopf, wie ein Seemann, dem das kommende Wetter nicht gefällt.
»Excellenz, sagte er, da droht eine tüchtige Brise, wenn nicht gar ein Sturm für die Nacht. Das Eiland bietet uns nicht genug Schutz, und ich möchte, eh’ es zu dunkel wird, so ein Dutzend Meilen draußen sein….
– Es hält uns ja nichts mehr zurück, Kapitän, erwiderte Kamylk-Pascha.
– So lichten wir den Anker.
– Noch zum letzten Male: Du hast nicht nöthig, noch einmal die Höhe abzunehmen, um Länge und Breite zu bestimmen?
– Nein, Excellenz, ich bin meiner Sache so sicher wie des Umstandes, daß ich das Kind meiner Mutter bin.
– So fahren wir also ab.
– Nach Ihrem Befehl.«
Sofort wurden die nöthigen Vorbereitungen getroffen. Der Anker löste sich aus dem Grunde und stieg nach dem Krahnbalken hinaus. Die Segel wurden beigesetzt und ein Cours nach West ein Viertel Nord eingeschlagen.
Auf dem Hinterdeck stehend, starrte Kamylk-Pascha nach dem unbekannten Eiland, so lange das Abendlicht dessen Umrisse noch erkennen ließ. Dann verschwand der Felsenhaufen im Nebeldunst. Der reiche Aegypter wußte aber sicher, daß er ihn nach Belieben und gleichzeitig den ihm anvertrauten Schatz wiederfinden konnte, einen Schatz im Werthe von hundert Millionen Francs in Gold, Diamanten und andern Edelsteinen.
Viertes Capitel.
Worin Meister Antifer und der Rheder Gildas Tregomain, zwei einander sehr unähnliche Freunde, dem Leser vorgestellt werden.
Jeden Sonnabend gegen acht Uhr abends wurde der Meister Antifer, der trotzdem seine kurze Pfeife, mehr einen Stummel, weiter schmauchte, erst blau und eine Stunde später purpurroth vor Ingrimm, nachdem er sich auf Kosten seines Freundes, des Schiffseigners Gildas Tregomain, weidlich ausgetobt hatte. Dieser Zornausbruch kam daher, daß er in einem alten Atlas, von dem eine Karte nach Mercator’s planisphärischer Projection entworfen war, etwas nicht finden konnte, was er schon lange suchte.
»Verzwickte Breite!… rief er. Verteufelte Breite! Und wenn sie den Bratofen Belzebubs durchschnitte, ich muß ihr von einem Ende zum andern nachgehen!«
In Erwartung der Ausführung dieses Vorhabens kratzte Meister Antifer die genannte Breitenlinie einstweilen mit dem Fingernagel nach. Die ihm vorliegende Karte war auch mit Bleistiftpunkten übersäet und mit Zirkelstichen wie ein Kaffeesieb durchlöchert.
»24°59’ nördl. B.«
so war die Breitenangabe, der Meister Antifer’s Wuthausbrüche galten, angegeben auf einem Stück so vergilbtem Pergament, daß es mit einer alten spanischen Flagge hätte rivalisieren können.
Darunter stand, an einer Ecke des Pergaments, mit rother Tinte geschrieben:
»Meinem Jungen ausdrücklich anempfohlen, das niemals zu vergessen.«
Und Meister Antifer rief:
»Keine Angst, braver Mann und Vater, ich habe sie nicht vergessen und werde sie nie vergessen, Deine Breite! Und doch, den Segen meiner drei Taufpathen über mich, wenn ich weiß, wozu das nützen soll!«
An diesem Abend, dem des 23. Februar 1862, überließ sich Meister Antifer seinem gewohnten Wuthausbruche. Die Brust voller Sturm,
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