Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
wie ich Kapitän für Küstenfahrt zu werden?…
– Höre, Bruder, fiel da Nanon schüchtern ein, Du hast es ihm ja selbst angerathen… es war Dein Wille….
– Aha, mein Wille! Ein hübscher Grund!… Und wenn’s mein Wille nicht gewesen wäre,… na, da wäre er eben auch nach Nantes gegangen… Er wird das Examen übrigens nicht bestehen….
– Doch, lieber Onkel.
– So, liebe Nichte?… Wenn er aber durchfällt, dann soll ihm eine Böe in den Rücken fahren, an die er denkt sein Leben lang!«
Man sieht, daß sich niemand mit diesem Manne verständigen konnte. Auf der einen Seite wollte er, daß Juhel sich der Prüfung als Kapitän für lange Fahrt nicht unterzog, und auf der andern würde genannter Juhel einen Empfang finden, in dem »jene Esel von Examinatoren, jene hydrographischen Händler« auch nicht zum Besten weggekommen wären.
Enogate hatte jedoch das sichre Vorgefühl, daß der junge Mann nicht durchfallen werde, zunächst weil es ihr Vetter, dann, weil er ein gescheiter und fleißiger junger Mann war, endlich, weil er sie und sie ihn liebte und sie sich einmal heiraten wollten. Bessere Gründe als diese drei kann man doch gar nicht haben.
Wir müssen hier einfügen, daß Juhel ein Neffe des Meister Antifer und bis zur erreichten Majorennität sein Mündel gewesen war. Zeitig verwaist durch den Tod seiner Mutter, einer Morlaiserin, der seine Geburt das Leben gekostet hatte, und durch den, nur wenige Jahre später erfolgten Tod seines Vaters, eines Schiffsofficiers, war er, noch ein Kind, der Fürsorge seines Onkels anheimgefallen. Als ein Wunder kann es gewiß nicht erscheinen, daß es ihm in den Sternen geschrieben stand, einst Seemann zu werden. Enogate hatte übrigens ganz recht zu glauben, daß er sein Patent als Kapitän für lange Fahrt ohne Mühe erhalten werde. Der Onkel zweifelte daran auch nicht, er war jetzt nur in zu abscheulicher Laune, es zuzugestehen.
Die Sache hatte für die junge Malouine aber weit mehr Bedeutung, weil die zwischen ihrem Vetter und ihr geplante Heirat schon sehr bald nach Erlangung des betreffenden Patentes stattfinden sollte. Die beiden jungen Leute waren sich in warmer Liebe zugethan, die ja für das Glück zweier Herzen genügen kann. Nanon sah mit Freuden den Tag herankommen, wo diese von der ganzen Familie gewünschte Verbindung stattfinden sollte. Woher hätte ein Hinderniß kommen sollen, da das allmächtige Haupt derselben, der Onkel und Vormund, seine Zustimmung dazu gab, oder sich wenigstens vorbehalten hatte, diese zu geben, wenn der Zukünftige Kapitän wäre?
Es versteht sich von selbst, daß Juhel von unten auf gedient hatte, erst als Schiffsjunge und als Leichtmatrose auf Schiffen der Firma Le Baillif, als Matrose im Dienste des Staats und endlich drei Jahre lang als Deckofficier in der Handelsmarine. So fehlte ihm weder die Theorie noch die Praxis, und Meister Antifer war im Grunde recht stolz auf seinen Neffen. Vielleicht hatte er aber für ihn von einer reicheren Partie geträumt, weil er dessen vorzügliche Eigenschaften kannte, und ebenso für seine Nichte, weil diese das lieblichste Mädchen des ganzen Arrondissements war.
»Und sogar in l’Ille-et-Vilaine!« wiederholte er, die Augenbrauen runzelnd und bereit, seine Behauptung auf die ganze Bretagne auszudehnen. Und wenn ihm etwa eine Million in die Hände gefallen wäre – ihm, der mit seinen fünftausend Livres Rente zufrieden war – so wär’s nicht unmöglich gewesen, daß er gar selbst den Kopf verloren und sich unerfüllbaren Träumen überlassen hätte….
Inzwischen hatten Enogate und Nanon in der Stube, wenn auch nicht im Gehirn des schrecklichen Menschen, wieder etwas Ordnung hergestellt. Freilich im Gehirn wäre das am nöthigsten gewesen, um die Käfer, die darin umherschwirrten, auszutreiben, und womöglich auch die Spinnen an der Decke…
Die noch immer Blitze schleudernden Augen rollend, lief Meister Antifer hin und her – ein Beweis, daß das Unwetter noch lange nicht am Ende war und daß jeden Augenblick ein Donnerschlag erfolgen konnte. Und wenn er nach dem an der Wand hängenden Barometer sah, schien sein Zorn sich noch zu verdoppeln, weil dieses gewissenhafte und treue Instrument immer auf schön Wetter zeigte.
»Juhel ist also noch nicht zurück? fragte er, sich an Enogate wendend.
– Nein, Onkel.
– Und es ist schon um zehn Uhr!
– Nein, lieber Onkel.
– Ihr werdet sehen, daß er den Zug verpaßt!
– Ach nein, Onkelchen!
– Alle Wetter!
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