Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Pergament, das durch eingedrungenes Wasser theilweise übel zugerichtet war.
Für den Reverend Tyrcomel, der ja keine solchen Auslagen, wie seine Miterben gehabt hatte, fand sich diesmal kein Diamant vor. Ein wahres Glück! Der Eiferer hätte ihn doch nur in Rauch aufgehen lassen. Doch kehren wir zu dem Pergament zurück. Sich seiner zu bemächtigen, es vorsichtig, da es zu zerreißen drohte, zu entfalten, das war für Juhel, der allein seine Ruhe bewahrt hatte, das Werk eines Augenblicks.
Meister Antifer, mit der Faust gen Himmel drohend, Zambuco mit gesenktem Kopfe, Ben Omar ganz zerschmettert und Gildas Tregomain ganz Auge und Ohr – alle bewahrten das tiefste Schweigen.
Das Schriftstück bestand aus einem einzigen Blatte, dessen oberer Theil von der Feuchtigkeit nicht gelitten hatte. Darauf befanden sich einige Zeilen, wie bei den früheren Documenten in französischer Sprache.
Juhel konnte diese ohne zu stocken vorlesen, und sie lauteten:
»Drei Männer giebt es, gegen die ich Verpflichtungen habe und denen ich ein Zeichen meiner Dankbarkeit hinterlassen möchte. Wenn ich drei Documente auf drei verschiedenen Eilanden niederlegte, so geschah es darum, daß sich um diese drei Männer, die bei ihren nothwendigen Fahrten nach einander in nähere Beziehungen treten mußten, ein unlösliches Freundschaftsband schlingen sollte…«
Nun ja, das hatte er erreicht, der vortreffliche Pascha!
»Wenn es ihnen Mühe und Beschwerden kostet, sich in Besitz dieses Vermögens zu setzen, so mögen sie nicht vergessen, daß es mir nicht leichter geworden ist, es ihnen zu erhalten!
Diese drei Männer sind: Der Franzose Antifer, der Malteser Zambuco und der Schotte Tyrcomel. Sollte einer von ihnen inzwischen durch den Tod abgerufen worden sein, so geht der Anspruch auf diese Erbschaft auf ihre Rechtsnachfolger über. Nachdem nun vorliegendes Kästchen in Gegenwart des von mir zum Testamentsvollstrecker bestimmten Notars Ben Omar geöffnet worden ist und die Erben von dem Document, das das letzte ist , Kenntniß genommen haben, mögen sie sich nach dem vierten Eilande begeben, wo die Fässer mit Gold, Diamanten und Edelsteinen von meiner Hand vergraben liegen.«
Trotz der Unannehmlichkeit, noch ein viertes Eiland aufsuchen zu müssen, gaben Meister Antifer und die andern hierbei doch einen Seufzer der Erleichterung von sich.
»Zur Auffindung dieses vierten Eilands, fuhr Juhel fort, genügt die Weiterführung…«
Leider war der untere Theil des Pergaments halb zerstört. Die Sätze waren unlesbar… die meisten Wörter fehlten…
Vergebens bemühte sich der junge Kapitän, den Rest zu entziffern.
»Eiland… gelegen… geometr… Gesetz…
– Nun weiter, weiter!« drängte Meister Antifer.
Juhel konnte aber nicht weiter lesen. Der untere Theil des Schriftstücks ließ nur noch einzelne Wörter erkennen, die er vergebens verständlich zu verbinden suchte. Von den Ziffern der Länge und der Breite fand sich keine Spur vor….
Juhel wiederholte den angefangenen Satz.
»Gelegen… geometr… Gesetz…«
Endlich gelang es ihm, noch ein letztes Wort, das Wort »Pole« zu entziffern.
»Pole?… rief er. Sollte hier vom Nordpole die Rede sein?
– Wenn nicht gar vom Südpole!« murmelte der Frachtschiffer.
Da hatte man ja klar und deutlich die schon vermuthete Mystification! Der Pol, nun gar der Pol! War es denn je einem Menschen gelungen, den Fuß auf den Pol zu setzen?
Meister Antifer sprang auf seinen Neffen zu, entriß ihm das Document, versuchte es zu enträthseln… stammelte aber auch nur die einzelnen halbverwischten Worte hervor.
Nichts… nichts, was gestattet hätte, die Coordinaten des vierten Eilands zu bestimmen. Man mußte darauf verzichten, es jemals zu entdecken!…
Und als es Meister Antifer klar wurde, daß das Spiel gänzlich verloren war, da stürzte er, wie vom Blitze getroffen, starr und steif zur Erde.
Fünfzehntes Capitel.
Worin man den Finger Enogates einen Kreis beschreiben sehen wird, und welche Folgen diese unschuldige Spielerei haben sollte.
Am 12. August herrschte in dem Hause der Rue des Hautes-Salles in Saint-Malo helle Freude. Inmitten eines zahlreichen Geleites von Freunden und Bekannten hatte am Morgen gegen zehn Uhr ein Brautpaar dasselbe in vollem Hochzeitsstaat verlassen.
Erst hatte die Mairie und dann die Kirche die ganze Gesellschaft bestens aufgenommen. In der Mairie wurde vom Standesbeamten eine hübsche Anrede gehalten, in der Kirche eine ergreifende Predigt über das
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