Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
meine hübsche Enogate!..
– Ja, ja… weiß schon… Du bist immer bereit, sie mir gegenüber in Schutz zu nehmen. Doch davon schweigen wir. Jetzt ist mein Vater Thomas seit acht Jahren hinüber gegangen, von wo keiner wiederkehrt, und seit acht Jahren schleppt sich die Geschichte fort, ohne einen Schritt vorwärts zu kommen. Das muß ein Ende nehmen!
– Ich… versetzte der Frachtschiffer mit den Augen zwinkernd, ich machte ihr sofort ein Ende… ich dächte einfach nicht mehr daran….
– Wirklich, Kapitän, das meinst Du? Und was singst Du denn damit an, daß mein sel’ger Vater sie mir noch auf dem Sterbebette ganz besonders an’s Herz gelegt hat?… Nein, das sind geheiligte Sachen!
– Es ist zu bedauern, antwortete Gildas Tregomain, daß der gute Mann nicht noch mehr gesagt hat….
– Du lieber Himmel, weil er selbst nichts weiter zu sagen wußte!… Alle Wetter soll ich denn auch nicht mehr davon wissen, wenn ich mich zum letzten Male niederlege?«
Gildas Tregomain wollte schon erwidern, daß das mehr als wahrscheinlich, und eigentlich sogar wünschenswerth sei; er hielt aber an sich, um den Brausekopf nicht noch mehr aufzuregen.
Einige Tage, bevor der alte Thomas Antifer vom Leben in den Tod ging, hatte sich einmal Folgendes ereignet:
Es war im Jahre 1854 – ein Jahr, das der alte Seemann nicht mehr vollenden sollte. Da er sich sehr krank fühlte, glaubte er verpflichtet zu sein, seinem Sohn eine geheimnißvolle Geschichte mitzutheilen, die er nicht zu enthüllen vermocht hatte.
Fünfundfünfzig Jahre früher – 1799 – als Thomas Antifer noch mit einem Handelsschiffe die Häfen des Morgenlandes besuchte, befand er sich gerade nahe an der Küste Palästinas, als Bonaparte die Gefangnen von Jaffa niederschießen ließ. Einer dieser Unglücklichen, der sich auf einen Uferfelsen geflüchtet hatte, wo ihn doch noch ein sichrer Tod erwartete, wurde in der Nacht von dem französischen Seemann aufgefunden, nach seinem Schiffe gebracht, da so gut wie möglich gepflegt und nach Verlauf von zwei Monaten endlich wieder hergestellt.
Der Gefangene gab sich seinem Retter zu erkennen. Er nannte sich Kamylk-Pascha aus Aegypten, und beim Abschiednehmen versicherte er dem braven Malouin, daß er ihn nicht vergessen werde. Zur gelegenen Zeit werde er die Beweise seiner Dankbarkeit erhalten.
Thomas Antifer schied von Kamylk-Pascha, setzte seine Fahrt weiter fort, dachte zuerst wohl dann und wann an das ihm gegebene Versprechen, entschloß sich aber endlich, die ganze Geschichte zu vergessen, denn es sah nicht so aus, als ob jene Zusagen sich jemals erfüllen sollten.
In höheren Jahren stehend, zog sich der alte Seemann zurück nach Saint-Malo, wo ihm nichts andres am Herzen lag, als aus seinem Sohne Pierre einen tüchtigen Seemann zu machen. Da, als er bereits siebenundsechzig Jahre zählte, ging ihm im Jahre 1842 ein merkwürdiger Brief zu.
Daß dieser französisch geschriebene Brief aus Aegypten kam, erkannte man aus dem Poststempel, und zu lesen stand darin Folgendes:
»Der Kapitän Thomas Antifer wird gebeten in sein Notizbuch einzuschreiben: Vierundzwanzig Grad neunundfünfzig Minuten nördlicher Breite ; eine dazu gehörige Längenangabe wird ihm später noch zugehen. Er möge das nie vergessen und es als Geheimniß bewahren, da es sich für ihn um wichtige Dinge handelt. Eine ungeheure Summe, in Gold, Diamanten und Edelsteinen bestehend, die er unter dieser Breite und der später mitzutheilenden Länge finden wird, mag ihm als Belohnung für die Dienste gelten, die er dereinst einem Gefangenen von Jaffa erwiesen hatte.«
Dieser Brief war nur mit einem Monogramm, ein doppeltes
K
bildend, unterzeichnet.
Das erregte nun doch die Neugier des braven Mannes und würdigen Vaters seines Sohnes. Nach dreiundvierzig Jahren erinnerte sich Kamylk-Pascha also seiner noch immer! Zeit dazu hatte er sich freilich gelassen. Ohne Zweifel hatten ihn aber irgendwelche Hindernisse in Syrien aufgehalten, da dessen politische Verhältnisse erst 1840 durch den Londoner Vertrag, und zwar zu Gunsten des Sultans, endgiltig geregelt wurden.
Jetzt war Thomas Antifer nun glücklich »Besitzer« einer Breite, die über irgend einen Punkt der Erde verlief, wo Kamylk-Pascha sein Vermögen vergraben hatte. Und was für ein Vermögen! Seiner Meinung nach doch Millionen! Jedenfalls mußte er über diese Angelegenheit aber strenges Stillschweigen bewahren und den Boten abwarten, der ihm einmal den versprochenen Längengrad
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