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Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Titel: Meister Antifer's wunderbare Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Du’s eben gethan hast!
    – Nimmermehr!
    – Und wenn ich in einem Anfalle von Tollheit diesen Brief zerreißen wollte, den Brief, der für mich ein Eigenthumsdocument darstellt, wenn ich unvernünftig genug wäre, zu vergessen, was ich mir und den Meinen schuldig bin, und Du hindertest mich nicht daran…
    – Ich würde Dich daran hindern, alter Freund, verlass’ Dich darauf«… beeilte sich Gildas Tregomain zu versichern.
    Ganz gerührt ergriff der Meister Antifer sein Glas, stieß damit an das des Nachbars und sagte:
    »Auf Deine Gesandheit, Kapitän!
    – Wohl bekomm’s Dir!« antwortete Gildas Tregomain, der das Glas bis zur Höhe seiner Augen hob und es dann wieder hinsetzte.
    Pierre-Servan-Malo war nachdenklich geworden, er fuhr sich mit fiebernder Hand durch’s Haar, murmelte, von Flüchen und Seufzern unterbrochne Worte und kaute dabei seinen Kiesel im Munde hin und her. Plötzlich kreuzte er die Arme und ließ den Blick auf dem Freunde ruhen….
    »Weißt Du wenigstens, was dieser vermaledeite Parallelkreis durchschneidet… dieser vierundzwanzigste Grad nördlicher Breite?
    – Warum sollt’ ich das nicht wissen? erwiderte der Frachtschiffer, der dieses kleine Examen in der Geographie schon oft genug zu bestehen gehabt hatte.
    – Glaube, Kapitän, solche Sachen kann man gar nicht genau genug wissen!«
    Damit schlug er im Atlas die Planisphärenkarte auf, die ein Bild der ganzen Erdoberfläche zeigte.
    »Sieh, hier! commandierte er mit einem Tone, der kein Zögern und keine Erwiderung zuließ.
    – Du siehst doch Saint-Malo, nicht wahr?
    – Ja, und hier die Rance…
    – Von der Rance ist keine Rede! Du wirst mich toll machen mit Deiner Rance!… Nun also, lege den Finger auf den Meridian von Paris und gleite dann bis zum vierundzwanzigsten Grad hinunter.
    – Ich gleite schon.
    – Nun durch Frankreich und Spanien hindurch… nach Afrika hinein… durch Algerien… da kommst Du nach dem Wendekreis des Krebses… da oberhalb Timbuktu…
    – Bin schon da.
    – Also richtig, da sind wir an der berühmten Breite.
    – Ja, ja, da wären wir nun.
    – So begeben wir uns nach Osten zu, durchmessen ganz Afrika, waten durch’s rothe Meer… fallen in Arabien oberhalb Mekkas ein… begrüßen den Iman von Mascat… setzen nach Indien über und lassen dabei Bombay und Calcutta auf Steuerbord… dann streifen wir den untern Theil Chinas, die Insel Formosa, den Stillen Ocean, die Gruppe der Sandwichinseln… aber folgst Du auch ordentlich nach?
    – Ob ich Dir folge, seufzte Gildas Tregomain, der sich mit dem großen Taschentuche die Stirn abtrocknete.
    – Nun, jetzt bist Du in Amerika, in Mexiko… dann im Golf… nachher neben Habanah. Du begiebst Dich durch die Meerenge von Florida… steuerst auf den Atlantischen Ocean hinaus… an den Canarischen Inseln vorüber und kommst wieder nach Afrika. Jetzt marschierst Du am Meridian von Paris hinauf und bist in Saint-Malo zurück nach einer Rundreise um die Erde auf dem vierundzwanzigsten Breitengrade.
    – Uf! stieß der gefällige Frachtschiffer hervor.
    – Und kannst Du mir nun, fuhr Meister Antifer fort, nachdem wir die ganze Reise zurückgelegt, Meere durchkreuzt, Inseln überflogen und Länder durchwandert haben – kannst Du mir, Wasserlastträger, wohl sagen, wo die Stelle liegt, die meine Millionen festhält?
    – Ja, das weiß man leider nicht….
    – Wird es aber erfahren….
    – Natürlich… sobald der Bote eingetroffen ist…«
    Der Meister Antifer langte sich das zweite Gläschen Cognac zu, da der Kapitän der »Charmante Amélie« es nicht geleert hatte.
    »Dein Wohlsein! sagte er.
    – Wohl bekomm’ Dir’s!« antwortete Gildas Tregomain, der mit dem leeren Glase an das gefüllte seines Freundes stieß.
    Eben schlug es zehn Uhr. Ein heftiger Schlag mit dem Klopfer machte die Hausthür erzittern.
    »Wenn das der Mann mit der Länge wäre! rief der allzu nervöse Malouin.
    – Oho! sagte sein Freund, der diesen kleinen Ausdruck des Zweifels nicht zurückhalten konnte.
    – Und warum nicht? versetzte Meister Antifer, dessen Wangen schon mehr als purpurroth wurden.
    – Ja freilich…. Warum könnte er’s nicht sein?« gab der Frachtschiffer nach und begann schon eine begrüßende Bewegung, um den Ueberbringer der guten Nachricht zu empfangen.
    Plötzlich erschallten aus dem Erdgeschoß laute Freudenrufe – ja, Freudenrufe, die, da sie von Nanon und Enogate ausgingen, dem Abgesandten Kamylk-Paschas wohl nicht gelten konnten.
    »Er ist es!

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